Salz in der Ursuppe

Die Anbieter von Himalaya- und Meersalz versprechen gegen einen hübschen Aufpreis das Blaue vom Himmel. Beweisen lässt sich davon das Wenigste. Viele Werbeaussagen führen in die Irre. Wer sich etwas Gutes tun will, kaufe jodiertes Salz

von Gernot Knödler

Es kann den Deutschen so schlecht nicht gehen, wenn sie für ein Pfund Salz fünf Euro auf den Tisch legen, wo es im Supermarkt bereits für 20 Cent zur haben ist. Das teure Pulver wird als Himalaya- oder Kristallsalz und Meersalz vermarktet, das besonders gesund sein soll. Dabei bestehen beide im Wesentlichen aus Kochsalz (Natriumchlorid). Und selbst bei Meersalz mit einem „niedrigen“ Kochsalz-Anteil von 95 Prozent ist der Anteil von Mineralstoffen und Spurenelementen so bescheiden, dass er bei dem geringen täglichen Salzkonsum eines Menschen dessen Bedarf auch nicht ansatzweise decken kann. Feinschmecker schwören aber auf den Geschmack von Meersalz.

Das Himalaya-Salz gilt denen, die dafür werben, als „bioenergetisch hoch wirksam“, weil es unter dem „enormen Druck des Himalaya-Gebirges in gleichmäßige kristalline, kubische Strukturen gepresst“ worden sei. Es enthalte im Gegensatz zu gereinigtem Kochsalz wichtige Mineralien und Spurenelemente und sei zur Linderung einer Reihe von Krankheiten geeignet: vom Senken des Blutdrucks über das Mildern von Rheuma bis hin zur „positiven Beeinflussung“ bei Krebs.

Für das Kristallsalz aus dem Himalaya wird außerdem mit dessen Alter (mehr als 220 bis 250 Millionen Jahre) und dessen Reinheit geworben. Steinsalz aus Deutschland kann da locker mithalten. Es ist ebenfalls 200 Millionen Jahre alt, in großer Tiefe dem Druck eines Deckgebirges ausgesetzt und vor den schädlichen Einflüssen der heutigen Umwelt geschützt. Eine Bio-Firma wirbt dafür unter dem Rubrum „Ur-Salz“, das allerdings lediglich mechanisch abgebaut und nicht raffiniert werde.

Helmut Oberritter, wissenschaftlicher Leiter der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sieht denn auch keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem Himalaya-Salz und herkömmlichem Speisesalz. „Besondere Wirkungen auf den Körper durch den Verzehr von Kristallsalz aus dem Himalaya sind wissenschaftlich nicht belegt“, sagt er. Es enthält mindestens 97 Prozent Kochsalz und damit unwesentlich weniger als herkömmliches Speisesalz mit 98 Prozent. Weil der Mensch nach Ansicht der DGE ohnehin nur sechs Gramm Salz täglich zu sich nehmen sollte, fällt das Himalaya-Salz als Mineralstofflieferant praktisch aus.

Aus Sicht Oberritters hat es sogar einen gravierenden Nachteil: Es enthält kein Iod und kann damit dem tendenziellen Jodmangel der Deutschen nicht entgegenwirken. Das Gleiche gilt in abgemilderter Form für Meersalz, und zwar auch für solches, das allein durch die natürliche Verdunstung von Meerwasser in Salzpfannen gewonnen wird. Dessen Kochsalzgehalt liegt, insbesondere weil es feucht ist, etwa ein bis zwei Prozent niedriger als der von Himalaya-Salz.

Die chemische Analyse eines solchen Salzes von der Algarve ergab zum Beispiel nur 630 Millionstel Gramm (Mikrogramm) Jod pro Kilogramm. Das entspricht, auf die empfohlenen sechs Gramm Salzkonsum gerechnet, weniger als vier Mikrogramm Jod; 180 bis 200 Mikrogramm – das Fünfzigfache – empfiehlt die DGE Jugendlichen und Erwachsenen als Tagesdosis. Die Firma hält das nicht davon ab, mit dem „besonders hohen Anteil an natürlichem Jod“ zu werben. „Die Anreicherung von Speisesalz mit Jod, Fluorid und Folsäure wird nur deshalb diskutiert, weil man weiß, dass die Menschen nur wenig davon essen“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale.

Dementsprechend enthält das Salz an anderen Mineralstoffen wie Magnesium, Calcium oder Kalium – auf die empfohlene tägliche Menge gerechnet – etwa soviel wie das Hamburger Leitungswasser. Von den „über 80 verschiedenen Bestandteilen des Meerwassers in ihrer ursprünglichen Konzentration und Zusammensetzung“, die angeblich in dem Meersalz nachweisbar seien, weist die Analyse gerade einmal acht aus. Immerhin hat Ökotest bei einer Untersuchung im vergangenen Jahr auch keine bedenklichen Schwermetall-Gehalte in Meersalz-Proben gefunden.

Was bleibt ist der Ruf, den unbehandeltes Meersalz, insbesondere Spitzenqualitäten wie Fleur de Sel, bei Spitzenköchen genießt, etwa denen des Hotels Louis C. Jacob. Sie schwören darauf, dass es den Geschmack der Speisen besser zur Geltung bringt. Ob dem so ist, kann jeder selbst ausprobieren.