Chinesische Knackis als Avatare: Virtuelle Zwangsarbeit
Häftlinge aus China berichten, dass sie im Arbeitslager Jixi "World of Warcraft" spielen mussten. Das Lager machte damit Profit. Schlechte Spieler wurden gefoltert.

China ist der Sweatshop der Welt, das ist bekannt. Doch China ist auch "die Fabrik der virtuellen Güter", wie Jin Ge von der Universität San Diego sagt. Er meint damit Geld oder Gegenstände aus Online-Computerspielen wie "World of Warcraft".
Um diese zu erhalten, muss der Spieler mehr oder minder komplexe Aufträge erfüllen, etwa "Töte den Smaragddrachen" oder "Sammle zehn Bärenfelle". Als Belohnung winken Gold oder seltene Waffen, die dann für reales Geld verkauft werden können. In Deutschland kosten 50.000 Goldstücke auf Ebay rund 30 Euro.
In China wurden laut dem Chinese Internet Centre 2008 fast 1,4 Milliarden Euro in virtuellen Währungen gehandelt - Tendenz stark steigend. Schätzungsweise 100.000 Menschen arbeiten als "Gold Farmer", oft auch Kinder, die für kriminelle Banden Gold erspielen. Und Häftlinge: Im Arbeitslager Jixi im Nordosten Chinas müssen die Gefangenen tagsüber im Bergbau arbeiten oder Essstäbchen herstellen, der Abend sieht spezielle Zwangsarbeit vor: "World of Warcraft".
"300 Gefangene wurden dort gezwungen zu spielen. Wir arbeiteten in 12-Stunden-Schichten. Die Computer wurden niemals ausgeschaltet", sagte Liu Dali (Name geändert) gegenüber dem Guardian. Der 54-jährige wurde 2004 ins Gefängnis gesteckt, weil er in seiner Heimatstadt die Korruption der Regierung angeprangert hatte. Wer im Arbeitslager ein zu niedriges "Gold Farming"-Pensum zeigte, wurde mit Plastikrohren gefoltert. "Wir spielten, bis wir fast nicht mehr gucken konnten", so Liu. Das Gefängnis verdiente dadurch nach seiner Einschätzung rund 600 Euro pro Tag.
Dabei ist in den Nutzungsbedingungen von "World of Warcraft" der reale Verkauf von virtuellen Gütern ausdrücklich untersagt. Die Herstellerfirma Blizzard sieht darin eine Beschädigung der Spielbalance, denn einen Charakter ohne fremde Hilfe zum Höchstlevel 85 zu bringen, dauert sonst Monate.
Auch die chinesische Regierung hat Bedenken gegenüber dem virtuellen Handel. Sie fürchtet eine Parallelwährung zum Yuan. So wurde 2009 ein Gesetz verabschiedet, das den Handel von fiktiven Währungen verbietet. Virtuelles Gold darf nun nur noch in andere virtuelle Güter getauscht werden. Liu, der 2009 aus dem Gefängnis entlassen wurde, glaubt jedoch, dass das Zwangs-Computerspielen trotzdem weit verbreitet sei.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung