Das Gebot von fair sex

Kampagne gegen Zwangsprostitution in Bremen gestartet. Hotline von Männern für Männer soll Freier dazu bewegen, Verdachtsfälle von Zwangsprostitution zu melden. Je weiter die EU-Osterweiterung umso ferner die Herkunft der Frauen

Nicht die Nacht ist Hauptgeschäftszeit, sondern die Mittagspause

Bremen taz ■ „Männer setzen Zeichen“ heißt die gestern gestartete Kampagne gegen Zwangsprostitution – eigentlich müsste sie heißen: „Freier setzen Zeichen“. Denn die Kunden der Sex-Arbeiterinnen stehen im Mittelpunkt einer gemeinsamen Aktion von Bremer Institutionen mit „terre des femmes“, die am gestrigen Tag gegen Gewalt an Frauen begann und am 10. Dezember, am Tag der Menschenrechte, endet.

Kernstück der Kampagne ist eine Hotline von Männern für Männer: Freier sollen hier anrufen, wenn sie den Verdacht oder gar das Wissen haben, dass die Frauen, die ihnen ihren Körper anbieten, das unter Zwang oder Gewaltandrohung tun. Grundannahme, damit die Kampagne funktioniert: „Der Kunde ist in seinem ‚normalen‘ Leben ein fairer Mensch mit fairen Geschäftsbeziehungen“, sagt Jutta Schmidt, Frauenbeauftragte der Bremischen Evangelischen Kirche, „es gibt das Gebot von fair sex.“ Zwangsprostitution ist das Gegenteil davon, es ist „ein ausgesprochen drastisches, ekelhaftes Warengeschäft“, so Bremens Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe.

40 Frauen hat die 2002 ins Leben gerufene Beratungsstelle gegen Frauenhandel seither beraten. Zwischen 19 und 25 Jahre alt seien die Frauen, die meistens aus Osteuropa kommen. Seit der EU-Erweiterung kommen sie aus dem immer tieferen Osten. Manche der Frauen wüssten, dass sie im Rotlichtmilieu arbeiten würden, andere dächten an Arbeit in Bäckereien, in Fabriken, bei der Ernte, berichtet Jutta Meyer. Sie alle „werden unter furchtbaren Bedingungen dazu gezwungen, hier zu arbeiten wie sie arbeiten.“ Besonders bitter sei, dass gerade diese Frauen „aus ihren Ländern mit Unternehmerinnengeist aufbrechen, sie wollen ihre Situation verbessern.“ Ihnen widerfährt das Gegenteil, viele von ihnen seien „schwer traumatisiert“.

Die Dunkelziffer ist hoch – im Land Bremen wurden im vergangenen Jahr 27 Fälle von Menschenhandel oder Ausbeutung von Prostituierten registriert. „Wir brauchen jeden Hinweis, den wir kriegen können“, sagt deshalb der Bremer Polizeipräsident Eckard Mordhorst. Prostitution verlagere sich zunehmend in die Anonymität, weg von gesellschaftlich akzeptierten Plätzen wie der Helenenstraße in Bremen hin zu Parkplätzen oder Hotels. „An dieser Stelle, wo Männer nicht wollen, dass ihnen einer zuguckt, müssen wir sie dazubekommen, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Frauenbeauftragte Hauffe.

Das funktioniert offenbar: Als „terre des femmes“ eine an Freier gerichtete Kampagne 1999 erstmals in Baden-Württemberg startete, sei die Resonanz sehr positiv gewesen – neben Männern, die sich schlicht zum Thema informieren wollten, riefen tatsächlich auch einige Freier an, erklärt Ankica Schulte von „terre des femmes“. Dasselbe galt für eine ähnliche Aktion in Hamburg im Jahr 2000.

Die von der Beratungsstelle „Männer gegen Männergewalt“ betreute Hotline ist montags bis freitags von 12 bis 14 Uhr und von 17 bis 19 Uhr besetzt – denn nicht etwa die Nacht oder das Wochenende ist die Hauptgeschäftszeit im Sex-Gewerbe, sondern die Mittagspause und die Zeit für den Heimweg. Susanne Gieffers

Mehr Infos unter www.menschenhandel-bremen.de. Hotline: ☎ 0421/303 94 21