Deutscher E-Book-Markt: "Vor dem Durchbruch"
Dank Smartphones und Tablet-PCs werden E-Books immer häufiger gekauft, sagt Hans Huck vom Börsenverein des deutschen Buchhandels. Eine Gefahr für gedruckte Bücher sieht er aber nicht.
taz.de: Herr Huck, wie würden Sie aus Sicht des Börsenvereins die aktuelle Situation des E-Book-Marktes in Deutschland beschreiben?
Hans Huck: Der E-Book-Markt in Deutschland steht vor dem Durchbruch. Anders als in den vergangenen Jahren gibt es mittlerweile eine breite Palette von attraktiven Lesegeräten, ob dies nun E-Ink-basierte E-Reader, Tablets oder Smartphones sind. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Verlage ihre längst vorhandenen E-Books den Lesern in einem attraktiven Rahmen anbieten können.
Können E-Books auf längere Sicht den Printbereich ersetzen? Oder wird es bei der Ergänzung bleiben?
Auch langfristig werden sich gedruckte Bücher und E-Books ergänzen, das Buch in Papierform bleibt wichtiger Bestandteil des Marktes. In einer jüngst veröffentlichten Studie haben wir Mitgliedsverlage, die selbst E-Books anbieten, befragt, wie hoch sie im eigenen Haus den Umsatzanteil in vier Jahren schätzen. Im Durchschnitt rechnen die Verlage mit 16 Prozent im Jahr 2015.
Werden E-Books ein lukratives Geschäftsmodell für einen klassischen Printverlag sein?
Das E-Book bietet Möglichkeiten, die das gedruckte Buch nicht hat. Random House hat in den USA zum Tod von Bin Laden bereits einen Versuch gestartet, so genannte Schnellschüsse als E-Book zu verkaufen. Ein weiterer offensichtlicher Vorteil ist die Möglichkeit, Inhalte auf lange Zeit sichtbar zu machen. Diese Chancen gilt es auszumachen und in - neue - Geschäftsmodelle zu formulieren.
HANS HUCK ist Sprecher des "Arbeitskreises Elektronisches Publizieren" im Börsenverein des deutschen Buchhandels.
Derzeit gibt es eine Vielzahl an Geräten und Standards, die die Nutzer verwirren, durch Kopierschutzmaßnahmen fühlen sich viele Kunden gegängelt. Muss die Branche hier mehr tun?
Dass Verlage und Autoren ihre digitalen Inhalte schützen, ist verständlich - und muss kein Ausschlusskriterium für den Erfolg des E-Books in Deutschland sein. Die größten Anbieter in den USA, Amazon und Apple, setzen erfolgreich Kopierschutz sein. Entscheidend ist eine ausgereifte Technologie und, um das nochmals zu betonen, der komfortable Zugang zum E-Book. Das kann der Käufer erwarten.
Es gibt Beobachter, die meinen, Autoren könnten auf lange Sicht selbst publizieren, an den Verlagen vorbei - die Einstiegskosten sind geringer als bei gedruckten Werken. Zumindest von einigen Bestseller-Schreibern wird dies bereits ausprobiert. Sehen Sie hier einen Umschwung auf die Branche zukommen?
Autoren hatten schon immer die Möglichkeit, Bücher auf eigenes Risiko auf den Markt zu bringen. Dies ist im E-Book-Markt nicht anders. Einen "Umschwung" bedeutet das nicht.
Amazon hat in den USA sehr erfolgreich seinen E-Book-Dienst Kindle etabliert, der mittlerweile auf zahlreichen Plattformen verfügbar ist. In Deutschland hielten sich die Verlage hier zunächst zurück. War das eine Fehlentscheidung?
Bei allem Respekt für die Leistungen des Kindle-Programms in den USA - in Deutschland haben wir neben Amazon bereits eine ganze Reihe etablierter, umfangreicher E-Book-Plattformen und mit "Libreka" sogar eine einzigartige Branchenlösung, die Verlag und Sortiment gleichermaßen die Möglichkeit gibt, am E-Book-Markt teilzunehmen. Im Übrigen wurde der deutsche Kindle-Store erst im April eröffnet. Von Zurückhaltung kann man hier nicht reden, denn ein Großteil der deutschen Verlage war dabei.
Es gab bereits mehrere Ansätze des Handels und der Verlage in Deutschland, gemeinsame E-Book-Plattformen zu schaffen. Doch bislang gehen die Nutzer lieber zu Apple und Co. Brauchen die Verlage überhaupt gemeinsame Plattformen?
Klar ist, der E-Book-Markt muss offen für alle sein. Libreka entwickelt daher Produkte und Dienstleistungen, die der Buchbranche eine Teilhabe am Markt ermöglicht - zu fairen Bedingungen. Dass sich in einem neuen Markt auch Vertriebsmodelle ausprobieren und entwickeln lassen, ist gut und richtig. Am Ende wird das Modell sich durchsetzen, das dem Kunden den komfortabelsten Zugang zum Produkt sichert.
Der klassische Buchhandel setzt noch auf Margen-Verkaufsmodelle, bei denen der Handel etwas auf einen Preis aufschlägt, während die E-Book-Branche zunehmend zum "Agency"-Modell wechselt, bei dem der Verlag jeweils einen Prozentsatz erhält. Was ist das bessere Modell?
In Deutschland haben Bücher einen gebundenen Ladenpreis. Das bedeutet, dass die Verlage den Preis eines Buches festsetzen und mit dem Handel Konditionen aushandeln, die der Sortimentsfunktion Rechnung tragen. Da in Deutschland auch E-Books preisgebunden sind, bietet sich ein solches Vorgehen auch für diesen Markt an. Die genaue Vertragsgestaltung zwischen Verlagen und dem Handel ist dabei eher nachrangig und dem freien Spiel des Marktes überlassen. Derzeit beobachten wir, dass beide Modelle im Markt der E-Books zum Einsatz kommen.
Es ist Nutzern allerdings kaum zu vermitteln, dass sie für elektronische Ausgaben genauso viel zahlen sollen wie für Druckwerke.
Die Buchpreisbindung steht mit dem vom Verlag gefundenen Endpreis eines E-Books überhaupt nicht in Zusammenhang. Sie sorgt lediglich dafür, dass der vom Verlag gesetzte Preis von keinem Händler unterlaufen wird. Ob ein E-Book günstiger, teurer oder zum gleichen Preis angeboten wird wie eine Printausgabe, ist Sache des Verlags.
Grundsätzlich bedeutet elektronisch aber nicht gleich günstiger. So wird eine mögliche Druckkostenersparnis dadurch relativiert, dass beim Verkauf von E-Books der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent anfällt und nicht der reduzierte Satz von sieben Prozent wie beim gedruckten Buch. Zudem können die Produktionskosten für sogenannte Enhanced E-Books, die etwa multimediale Inhalte enthalten, schnell die einer Druckauflage übersteigen.
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