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Vor der ZDF-Intendanten-WahlWahl ohne Wahl

Am Freitag kürt der Mainzer Sender seinen neuen Intendanten. Weder ein juristischer Eilantrag noch ein inoffizieller Gegenkandidat konnte Thomas Bellut stoppen.

Der Vorgänger und sein potenzieller Nachfolger beim ZDF: Markus Schächter und Thomas Bellut (r). : dapd

Am Freitag schreitet die bundesdeutsche Gesellschaft zur Wahl, um einen neuen ZDF-Intendanten zu küren. Das heißt: die Gesellschaft, so weit sie sich in den im ZDF-Fernsehrat vertretenen gesellschaftlichen Gruppen wiederfindet.

Und gewählt werden kann auch nicht etwa jede(r), die/der sich auf die Ausschreibung des ZDF im Internet beworben hat. Sondern nur, wer auch eine Fernsehrätin bzw. einen Fernsehrat als Quasisekundanten aufbieten kann: Nach den geltenden Spielregeln muss ein Wahlvorschlag von mindestens einem der 77 Mitglieder des obersten ZDF-Gremiums unterstützt werden. Und das ist derzeit nur bei einem der Fall: bei ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut.

Dabei hätte es beinahe nochmal spannend werden können: Ein Mensch aus Hessen mit dem schönen Künstlernamen Carlo di Fabio hatte sich nämlich beworben und per Eilantrag versucht, die Wahl am Freitag zu stoppen. Doch das Verwaltungsgericht Mainz winkte unter dem Aktenzeichen 4 L 566/11.MZ ab. Di Fabio hatte argumentiert, er werde durch die vorgeschriebene Unterstützung eines Fernsehrats benachteiligt. Und dann sei ja schon die Zusammensetzung des Fernsehrats wegen Verstoßes gegen das parteipolitische Beherrschungsverbot verfassungswidrig und ein entsprechendes Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig.

Auch das überzeugte das Verwaltungsgericht laut Pressemitteilung nicht, weil Karlsruhe erst 2012 urteilt und "eine entsprechende Entscheidung […] keine rückwirkenden Folgen hätte", erklärt aber vielleicht den Künstlernamen: In Karlsruhe gibt es einen Verfassungsrichter namens Udo di Fabio. Die Mainzer Richter erklärten zudem, es sei "angesichts des für die Wahl zum Intendanten zu erreichenden hohen Quorums von drei Fünfteln der Stimmen" gerechtfertigt, nur Bewerber mit Unterstützer im Fernsehrat zuzulassen.

Schattenkandidat der Herzen

Auch FAS-Feuilletonchef Claudius Seidl, der sich zum Spaß "mit ernstem Kern" für die Nachfolge des 2013 abtretenden ZDF-Chefs Markus Schächter ins Gespräch brachte, bleibt wohl draußen vor der Tür.

Für alle Fälle hatte der Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats, CDU-Politiker Ruprecht Polenz, seine RätInnen per Fax schon Ende Mai darauf hingewiesen, "dass Sie bis zum Wahlgang Gelegenheit haben, weitere Kandidatinnen oder Kandidaten für das Intendantenamt vorzuschlagen. Sicherlich wäre es im Interesse aller (…), wenn diese dann vor Ort wären, um sich gegebenenfalls persönlich dem Gremium vorzustellen." Doch davon ist nicht auszugehen: Die Sitzung beginnt morgens um 9 Uhr - und schon um 12.30 Uhr soll auf einer Pressekonferenz der "Neue" präsentiert werden.

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1 Kommentar

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  • CD
    carlo di fabio

    bürger-verfassungskonvent CITOYEN j e t z t!

     

    zwar soll bellut erst im märz 2012 von schächter übernehmen, aber es ist möglich, daß schon bald nach der inzwischen erfolgten, schon vorher feststehenden wahl belluts, ein dienstvertrag mit ihm geschlossen wird. das bundesverfassungsgericht hat im ZDF-eilverfahren 1 BvR 1567/11 die wahl nicht mehr stoppen können oder wollen. eine entscheidung liegt mir noch nicht vor. nunmehr lautet der antrag, dem ZDF zu untersagen, einen dienstvertrag mit bellut zu schließen.

    das verfassungsgericht hatte schon mal judiziert, daß eine wahl mit nur einem kandidaten keine (echte) wahl ist. anläßlich einer parlamentskandidatur.

    das wahlverfahren verletzt meine rechte auf eine gleiche und faire bewerbungschance, auf nicht-diskriminierung...

    auf dem soiel stehen zudem die pluralität und freiheit der medien. wie es im GG, der EMRK und der europäischen grundrechtecharta garantiert ist.

    politische einflußnahme auf die justiz ist gerade in verwaltungsgerichtlichen verfahren solch hochpolitischen inhalts zu vermuten.außerdem: wer wählt die richterInnen aus?

    die erodierende gewaltenteilung ist thema der dissertationen von fornauf und hochschild (2010).

    das läßt die frage aufkommen, ob der "gesetzliche richter" (art 101 abs 1 GG) noch gegeben ist.

    wenn dann auch noch die "4. gewalt" , die öffentlich-rechtlichem medien fest im griff der parteienoligarchie sind, herrscht alarmstufe 1 und es ist höchste zeit für einen verfassungsvolksentscheid (gemäß art 146 GG)zur beseitigung dieser mißstände. eine initiative dazu kann jederzeit aus dem volk entstehen. die aktuelle euro-krise, weitere krisen, die notwendige neugestaltung des (verfassungswesentlichen) bundeswahlrechts ...sind weitere gute gründe dafür.

    das vom land rheinland-pfalz eingeleitete normenkontrollverfahren in sachen ZDF belegt ganz offensichtlich die nicht gegebene staatsferne, medienfreiheit und -pluralität. damit fehlt die für den eingriff in meine rechtspositionen erforderliche rechtsgrundlage und wahl-verfahrensordnung.

    meine anhörung und befragung vor dem fernsehrat war ohne zweifel notwendig. daß dies nicht erfolgte, zeigt die institutionelle befangenheit der handelnden personen und belegt die vorfestlegung auf bellut.

     

    carlo di fabio = carl maria schulte

    politkünstler, publizist, creative producer film, medien- und ökopädagoge...

     

    > carlo.difabio@yahoo.de

    INITIATIVE CITOYEN-KONVENT 2011...