Talentsuche in der Basketball-Profiliga: Ein 2,11 Meter großes Fragezeichen
Der türkische Center Enes Kanter wird vor dem "Draft" hoch eingeschätzt. Dabei hat er für die University of Kentucky ein Jahr lang nicht gespielt.
BERLIN taz | An Selbstvertrauen mangelt es Enes Kanter nicht. "Einen Spieler wie mich hat es in der NBA noch nicht gegeben", sagt der türkische Center am Rande eines Probe-Trainingscamps der Minnesota Timberwolves und meistert damit den schwierigen Spagat zwischen Respekt vor den etablierten Stars der Liga und Glauben an die eigenen Fähigkeiten. "Ich brauche mich aber nicht zu verstecken".
Das sehen auch die Verantwortlichen der NBA so. Der so gar nicht 19-jährig aussehende 19-Jährige wird hoch gehandelt für den diesjährigen Draft am Donnerstag, bei dem sich die 30 Mannschaften der nordamerikanischen Profiliga die größten Talente sichern, ob vom College oder aus internationalen Ligen.
Für Kanter allerdings sind die Testspiele im Vorfeld des Drafts wichtiger als für andere Möchtegernprofis, denn der 2,11-Meter-Mann steht unter besonderer Beobachtung. Hat er doch für die renommierte University of Kentucky, bei der er sich vergangenen Sommer einschrieb, nicht ein einziges Pflichtspiel absolviert.
Der strenge Collegesport-Verband NCAA verweigerte die Spielberechtigung - als Spieler vom türkischen Spitzenklub Fenerbahce hatte Kanter bis 2009 umgerechnet 33.033 US-Dollar "über den eigentlichen und notwendigen Summen für Ausgaben wie Verpflegung, Transport und Unterkunft" erhalten, hieß es in der auch in den USA trockenen Verbandssprache.
So bleiben den Talentscouts der NBA bis heute nur wenige Eindrücke, um den in der Schweiz geborenen Sohn eines Geschichtsprofessors einschätzen zu können. In der Saison 2009/10 lief Kanter zwar für die Stoneridge High School in Kalifornien auf, gegen allerdings unterklassige Konkurrenz.
In derselben Spielzeit führte er auch die türkische U-18-Nationalmannschaft zu EM-Bronze und wurde dabei zum wertvollsten Spieler des Turniers gewählt. Die Experten aber sind sich nicht einig: Einerseits wird Kanter gepriesen ob seines großen Potenzials, andererseits ist er wegen der mangelnden Spielpraxis schwer einzuschätzen.
"Natürlich weiß ich, dass ich zeigen muss, dass ich topfit bin und mir dieses eine Jahr, in dem ich quasi kein richtiges Spiel absolviert habe, nicht geschadet hat. Für die meisten bin ich noch ein Mysterium", sagt Kanter. Das hat er in den letzten Wochen durch Trainingseinheiten in Utah, Toronto und Washington zu ändern versucht, die Cleveland Cavaliers wollten ihn gar zwei Mal vorspielen sehen.
Größte Trumpfkarte für das wandelnde Fragezeichen: Gerade gute Center sind schon seit Jahren rar, auch in der besten Basketball-Liga der Welt. Dass Kanter beim Draft ausgewählt wird, ist sicher - trotz aller Unsicherheiten der Fachwelt.
Kanters Berater Max Ergül weiß das natürlich und hat schon große Ziele für seinen Schützling: "Er will zu einem Team, das er zu einem Playoff-Kandidaten machen kann, und er will das Gesicht der Stadt werden, für die er spielt." An Selbstvertrauen mangelt es Enes Kanter wahrlich nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Wahlkampfchancen der Grünen
Da geht noch was