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Prozess vor dem UN-Sondertribunal4 Exführer der Roten Khmer angeklagt

Vor dem UN-gestützten Tribunal in Phnom Penh hat der Prozess gegen Angehörige der ehemaligen Khmer-Rouge-Führungsriege begonnen. Es könnte das letzte Verfahren sein.

Angeklagt: vier Angehörige der ehemaligen Khmer-Rouge-Führungsriege vor dem Sondertribunal. Bild: reuters

BANGKOK taz | Der einstige Chefideologe Nuon Chea, Exstaatschef Khieu Samphan, der frühere Außenminister Ieng Sary sowie die ehemalige Sozialministerin Ieng Thirith des Regimes der Roten Khmer müssen sich seit Montag wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem UN-gestützten Gericht verantworten. Zum Auftakt des Prozesses ließen sich die vier Angeklagten im Alter zwischen 79 und 85 Jahren nach außen hin keine Gefühle anmerken. Es wird erwartet, dass sie auf "nicht schuldig" plädieren.

Beobachtern zufolge werden ihre Verteidiger darauf pochen, dass die Vorwürfe wegen Kriegsverbrechen nach heimischem Recht verjährt seien. Zudem waren in den 90er Jahren drei der Hauptbeschuldigten teils von Kambodschas Regierung, teils vom damaligen König Norodom Sihanouk amnestiert worden. Das Verfahren hatte am Montag erst wenige Minuten begonnen, da verließ Exchefideologe Nuon Chea unter Protest den Saal mit der Begründung, seine Gesundheit sei schlecht und ihm sei kalt.

Großes Aufsehen dürfte erregen, wenn demnächst der bislang einzig durch das Gericht Verurteilte als Zeuge gegen die vier Exfunktionäre aussagen könnte: Kaing Khek Iev alias Duch, der damalige Folterchef des Regimes. "Duch" wurde im Juli 2010 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 30 Jahren Haft verurteilt. Weil er mit dem Gericht kooperierte und bereits vor seiner offiziellen Anklage in Haft war, muss er nur 19 Jahre im Gefängnis bleiben.

Das aber empörte Staatsanwaltschaft und Opferverbände. "Duch" hatte das Foltergefängnis "Tuol Sleng" in der Hauptstadt Phnom Penh geleitet, in dem bis zu 15.000 Menschen ermordet wurden. Derzeit läuft sein Berufungsverfahren: Während die Anklage 45 Jahre bis lebenslange Haft fordert, fordert die Verteidigung Freispruch.

Das Verfahren gegen die vier ranghöchsten Exfunktionäre des Terrorregimes gilt als neuer Test für das Sondertribunal. Seit dieses im Juli 2006 offiziell seine Arbeit aufnahm, steht es immer wieder in der Kritik. Unter anderem musste sich das Gericht, dessen Arbeit bislang mehr als 100 Millionen US-Dollar verschlang, Korruptionsvorwürfe gefallen lassen sowie Anschuldigungen, bestimmte Mitarbeiter beugten sich politischem Einfluss durch Kambodschas Regierung. Erst kürzlich hatte Premier Hun Sen erneut verdeutlicht, er werde keinesfalls erlauben, dass außer den bisherigen fünf Angeklagten weiteren mutmaßliche Tätern der Prozess gemacht werde.

Unter der Herrschaft der maoistischen Roten Khmer waren zwischen 1975 und 1979 bis zu zwei Millionen Menschen ermordet worden, fast ein Viertel der damaligen Bevölkerung.

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6 Kommentare

 / 
  • S
    sascha

    Ähnlich enttäuschend wie das Kommentar des Roten Khmer Vertreters ist die oberflächliche und kurzgreifende Berichterstattung in den internationalen Medien.

    Nuon Chea hat aus Protest das Gericht verlassen, nicht weil ihm kalt war, deshalb trägt er ja die mütze. Gegangen ist er weil jegliche seiner rechtlich gesehen durchaus legitimen „priliminary objections“ keinerlei Beachtung in den initial hearings finden. Die einwände seines Anwalts wurden vollkommen ignoriert, keiner der von verteidigungsseite vorgeschlagen zeugen wurde während der untersuchungen befragt, keine der vorgebrachten punkte in den verhandlungsplan aufgenommen. Wenn man sich zutraut solche verbrechen in einem neutralen und fairen gerichtsverfahren bestrafen zu können und gerechtigkeit zu schaffen, dann sollte man doch wenigstens seine eigens gesetzten regeln respektieren.

    Dass solche verfahren selten mit einem der grundprinzipien des rechtsstaats, der unschuldsvermutung, angegangen werden ist sicherlich moralisch und emotional verständlich. Dennoch weist dieses gericht so viele mängel auf, dass es fraglich erscheint ob es nach rechtlichen standards viel besser ist als das gericht 1979 und zu mehr „gerechtigkeit“ beitragen kann. Selbst das grundprinzip der gleichheit vor dem recht wird nicht berücksichtigt. Duch als einer von über 180 gefängnisvorsteher steht symbolisch für die verbrechen von tausenden.

    Die tatsache, dass vor diesem gericht 4 menschen angeklagt werden für ein massenverbrechen an dem zweifelsohne mehr menschen mitgewirkt haben müssen, trägt zudem dazu bei, dass in diesem land ein prozess der reflektion ausbleibt, in dem sich die anderen akteure fragen was sie zu diesem regime beigetragen haben. Die nation der opfer fühlt sich in ihrer rolle bestätigt, externalisiert jegliche verantwortung und riskiert unter gewissen umständen wieder einer massenmobilisierung zu verfallen. Natürlich ist es richtig die drahtzieher eines solch menschenverachtenden regimes zur verantwortung zu ziehen und die ereignisse dieser zeit zu enthüllen, da sie bis heute ein mythos bleiben und gefahr laufen als solcher von anderen seiten instrumentalisiert zu werden.

    Dass jetzt jene internationale vertreter applaudieren und ebenso wie viele kambodschanische fraktionen sich als retter und bringer der gerechtigkeit darstellen, erscheint bei einem genaueren blick in vergangene allianzen, geschichte und gegenwart anmaßend.

    Eine differenzierte berichterstattung und keine pauschale bestätigung des etablierten öffentlichen common sense wäre sehr wünschenswert. Es geht hier nicht darum an den bösen roten khmer rache zu üben, sondern in neutraler weise geschichtliche fakten hervorzubringen. Im moment versucht das gericht die in den usa und vietnam geschriebenen geschichtsbücher ohne neutrale prüfung zu bestätigen und somit einer einseitigen siegergeschichtsschreibung stattzugeben. Dass die kriegsverbrechen aller anderen konfliktparteien unter den teppich gekehrt werden und im schatten der verbrechen gegen die menschlichkeit verblassen wird weder zu moralischem fortschritt noch zur prävention ähnlicher verbrechen beitragen, sondern lediglich einmal mehr die doppelmoral internationalen rechts bestätigen.

  • PP
    Peter Pan

    @taz Redaktion

     

     

    Liebe Genossinnen und Genossen,

     

    Wie Könnt Ihr einen so menschenverachtenden Kommentar wie den von "Roter Khmer"

    veroeffentlichen. Ich bin erschüttert....

  • TS
    Thomas Sch.

    Lieber "Roter Khmer". Sie sagen, die Kommunisten haben alles richtig gemacht. Soso. Soweit ich weiß, haben diese Steinzeitkommunisten alles Intellektuelle und sogar Gebildete ausmerzen wollen. Lehrer wurden umgenietet und sogar Brillenträger, weil man in ihnen Menschen vermutete, die lesen können. Nun, lieber "Roter Khmer", da Sie sogar einen Computer bedienen können, sind Sie stark verdächtig, gebildet zu sein, vielleicht sogar ein gefährlicher Intellektueller. Da wir Kommunisten alles richtig machen wollen, melden Sie sich bitte bei unser örtlichen Kooperative zur standrechtlichen Erschießung.

  • G
    Generator

    Der Typ mit der Sonnenbrille erinnert mich immer an die Becker von der RAF...

  • TR
    Tristesse rouge

    Einfach nur traurig. Die Verbrechen der Roten Khmer sind durchaus denen der Nazis vergleichbar, und ihrer Durchführung oft noch grausamer gewesen. Aber sie werden ignoriert. Warum?

     

    Wie stellen sich Befürworter der Roten Khmer,da gab es doch so einige bei KBW & Co, heute zu den Verbrechen? Ich denke da auch an einige Grünen- und SPD-Politiker - mit den Fingern noch auf den letzten Nazi-Mitäufer zeigen, aber Rote Khmer : voll salonfähig.

     

    Mir wird nur noch schlecht, wenn ich über diese Doppelmoral der Grünen/SPD (wo einige der Khmer-Symphis gute Pöstchen gefunden haben) und auch einiger taz-Leute nachdenke. Es war ja so hip, in einer K-Gruppe gewesen zu sein. Aber in meinen Augen nicht besser, als für die Nazis geschwärmt zu haben.

  • RK
    Roter Khmer

    Hoffentlich werden diese politischen Gefangenen freigesprochen. Die Kommunisten haben alles richtig gemacht, aber leider haben die Imperialisten gesiegt. Wer sich gegen den Kommunismus stellt der gehört vernichtet!!!

     

    FÜR DEN KOMMUNISMUS!!!