Omar schwitzt, die Wahlen werden heiß

KENIA Besuch am Victoriasee: Das Luo-Volk im Westen Kenias will sich den Wahlsieg nicht wieder stehlen lassen wie vor fünf Jahren

■ Mammutwahl: Am 4. März wählt Kenia einen neuen Präsidenten, ein neues Parlament und 47 Distriktgouverneure. Eine Stichwahl ist möglich und könnte zu einer Polarisierung zwischen Kenias größter Ethnie der Kikuyu um Uhuru Kenyatta und der Opposition um Raila Odinga führen.

■ Kriegswahl: Bei den Wahlen Ende 2007 erklärte sich Kikuyu-Amtsinhaber Mwai Kibaki gegen den Protest der Opposition unter Odinga zum Sieger. Es folgten landesweit Unruhen mit 1.300 Toten; im März wurde Odinga Premier unter Kibaki. Wegen der Gewalt sind mehrere Politiker beim Internationalen Strafgerichtshof angeklagt, darunter Kenyatta. (d.j.)

AUS KISUMU ILONA EVELEENS

Stella wetzt ihr Messer und holt geschickt die Eingeweide aus ihrem Fisch, während Holzboote zwischen Wasserhyazinthen schaukeln. „Ich habe die nationalen Politiker satt. Immer viele schöne Versprechen, aber keine Taten“, sagt die Fischhändlerin.

Wenn in Kenia am 4. März gewählt wird, will Stella auf lokaler Ebene möglichst Frauen ihre Stimme geben. Die Fischhändlerin in Dunga Beach am Ufer des Victoriasees, die ihren Fang in der nahen Großstadt Kisumu verkauft, verdient kaum genug, um ihre fünf Kinder zu ernähren. Ihr Mann ist Busschaffner und setzt sein Gehalt meist in Alkohol um. „Weibliche Politiker verstehen uns besser. Männer haben oft keine Ahnung.“

Aber ein Mann kann ganz bestimmt auf Stellas Stimme zählen. „Der einzige Mann, dem ich traue, ist Raila Odinga. Er muss dieses Mal Präsident werden. Damit auch wir Luo von Kenias Entwicklung profitieren.“

Odinga ist der politische Führer des Luo-Volkes, das im Westen Kenias am Victoriasee beheimatet ist. Bei den letzten Wahlen Ende 2007 dachte er schon, er habe gewonnen, aber nach einer fragwürdigen Auszählung wurde der amtierende Präsident Mwai Kibaki von Kenias größter Volksgruppe der Kikuyu zum Sieger erklärt. Odinga und seine Anhänger waren davon überzeugt, dass man ihnen den Sieg gestohlen hatte. In Kisumu erschoss die hauptsächlich aus Kikuyu bestehende Polizei Luo-Demonstranten. Die Unruhen weiteten sich auf andere Landesteile aus, es kam zu ethnischen Pogromen.

Jetzt kandidiert Odinga erneut. Kibaki tritt nicht mehr an. Aber in den Umfragen liegt Odinga jetzt wieder mit einem Kikuyu gleichauf: Uhuru Kenyatta. Also droht wieder eine gewaltsame Konfrontation zwischen Luo und Kikuyu, mit ihren jeweiligen Verbündeten. Wieder appellieren die Politiker an die Volkszugehörigkeit ihrer Wähler.

Kisumu war vor fünf Jahren der einzige Ort in Kenia, wo nicht ethnische Gewalt die meisten Toten forderte, sondern die schießfreudige Polizei. Aber seitdem haben die Behörden nichts getan, um die ethnische Zusammensetzung der Polizei in Kisumu zu ändern. Die meisten Polizisten sind keine Luo. So fürchten Beobachter in Kisumu ähnliche tödliche Szenen wie vor fünf Jahren, sollte Odinga wieder verlieren. Aber sie sind diesmal besser vorbereitet. Geschäftsleute haben weniger Waren auf Vorrat gekauft, sie werden am Wahltag schließen und Türen und Schaufenstern extra verriegeln.

Eines hat sich in Kenia aber geändert gegenüber 2007: Es gibt eine neue Verfassung, die das Land stark dezentralisiert und eine Frauenquote von einem Drittel für die meisten Regierungsorgane festlegt. Zwar gilt für diese Wahl noch keine Frauenquote, aber es kandidieren jetzt viel mehr Frauen als früher.

„Der Einzige, dem ich traue, ist Raila Odinga. Er muss dieses Mal Präsident werden“

STELLA, FISCHHÄNDLERIN

„Ich warne die Wähler, dass sie sich nicht aufstacheln lassen sollen. Die Frauen sollen als Gattinnen und Mütter ihre Männer und Söhnen von Gewalt abhalten“, sagt Dorothy Masuka Adhu, die in Kisumu für das Distriktparlament kandidiert. Der Drang der Frauen in die Politik ist revolutionär, betont Masuka. „In der Luo-Kultur sollen wir Frauen den Mund halten und das Reden den Männern überlassen. Und in Kenia ist Politik eine Sache von viel Geld.“ Sie selbst führt ein erfolgreiches Eisenwarengeschäft.

Doch nicht alle Frauen wollen Frauen wählen. Auf einem Marktplatz drängeln sich viele Wählerinnen um einen Mann: Parlamentskandidat Abdulqadir Omar. Der füllige Geschäftsmann „ist einer den wenigen Männer in der Politik hier, die die Situation der Frauen versteht“, lobt Imbissverkäuferin Aqueline. Sie fügt zwinkernd hinzu: „Er ist auch ein richtiger Herr.“

Omar schwitzt. Es ist heiß um die Mittagsstunde, aber trotzdem geht er zu Fuß durch die Straßen. Er glaubt so, näher an den Wählern zu sein. Er findet auch, dass er die Situation der Frauen versteht. „Mehr als die Hälfte der Wähler sind Frauen und sie haben einen großen Rückstand in der Entwicklung“, erklärt er. „Die lokale Kultur ist nicht immer frauenfreundlich.“