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Alltagsrassismus in BrandenburgDer Kämpfer gibt nach 21 Jahren auf

Der schwarze Ausländerbeauftragte im brandenburgischen Schwedt verlässt die Stadt. Er habe den Alltagsrassismus nicht ertragen. Der Bürgermeister zeigt sich überrascht.

Ibraimon Alberto wollte als Ausländerbeauftragter in Schwedt gegen Rassismus kämpfen - und wurde selbst vertrieben. Bild: dpa

BERLIN taz | Ibraimo Alberto ist ein Kämpfer. Seit 30 Jahren boxt der 48-Jährige, in den Neunzigern auch in der Bundesliga für den Uckermärkischen Boxverein Schwedt 1948. In der 30.000-Einwohner-Grenzstadt in Brandenburg, in der Alberto seit 1990 lebt und wo er als SPD-Abgeordneter und Ausländerbeauftragter arbeitet. Jetzt hat der gebürtige Mosambikaner aufgegeben.

"Ich will nicht übertreiben", sagt Alberto, "aber es gab fast keinen Tag, an dem ich mir keinen komischen Spruch anhören musste." Taub sei er dagegen irgendwann geworden. Doch die scheelen Blicke und Provokationen schränkten seinen Alltag immer weiter ein. Er sei kaum mehr spazierengegangen, erzählt Alberto. Seine Frau leide unter Depression, weil sie sich ständig Sorgen um ihn mache.

Er sei zu sensibel, sagten einige Schwedter. "Sensibel?", fragt der Boxer. "Total lächerlich."

Und trotzdem hat Alberto, der 2008 vom Bund als "Botschafter für Demokratie und Toleranz" ausgezeichnet wurde, Schwedt jetzt verlassen. Als im März, bei einem Fußballspiel seines 17-jährigen Sohnes, ein Gegenspieler ihn als "Negersau" beschimpfte und drohte, "ich schlag dich tot", war Schluss. Alberto zog vor wenigen Tagen nach Karlsruhe. In Schwedt suchte er seit Jahren erfolglos einen Job - und bekam Ehrenämter: Ausländerbeauftragter, Jugendclub-Leiter, Fußballtrainer. In Karlsruhe arbeitet er jetzt in einem Kindergarten.

Der Bürgermeister nennt die Vorwürfe "nicht nachvollziehbar"

Der Wegzug des einzigen schwarzen Ausländerbeauftragten Brandenburgs - er hat Schwedt eine heftige Rassismus-Debatte eingebrockt. Bürgermeister Jürgen Polzehl (SPD) gibt sich zerknirscht. Er wolle rassistische Vorfälle in Schwedt gar nicht verschweigen. "Aber wir haben immer hinter Herrn Alberto gestanden." Polzehl erzählt vom Bündnis gegen Fremdenfeindlichkeit, von einer "toleranten Stadt" - auch gegenüber der "handvoll Leute mit dunkler Hautfarbe". Albertos Vorwürfe seien "ein bisschen überspitzt", "nicht nachvollziehbar". Einzig, dass man für den Ausländerbeauftragten keinen festen Job gefunden habe, müsse er sich ankreiden, sagt Polzehl. Nur: "Wir haben hier eine Arbeitslosenquote von 15 Prozent."

Christoph Schulze von der märkischen Opferperspektive bezeichnet Alberto hingegen als "absolut glaubhaft". Dieser habe Übergriffe immer wieder zur Anzeige gebracht, meist folgenlos. Auch wenn sich das Klima in der Stadt deutlich verbessert habe, gebe es immer noch eine rechte Jugendkultur, so Schulze. Erst vor einer Woche sei eine polnische Mitarbeiterin im Jugendclub beschimpft und bedrängt worden. "Dass die Stadt jetzt überrascht tut, ist nicht nachvollziehbar."

Vor Jahren tobte eine Debatte über No-go-Areas in Brandenburg. Hat sich nichts gebessert? Den Begriff lehne er ab, sagt Alfred Roos von der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie Brandenburg. Es gebe längst ansprechbare Bündnisse gegen Fremdenfeindlichkeit, in einigen Städten engagierte Integrationsbeiräte. "Es ist für Dunkelhäutige aber immer noch schwierig, einen normalen Alltag einer multikulturellen Gesellschaft zu erfahren", so Roos. Es gebe zu wenig migrantische Communities. Das Land müsse aber auch stärker an einer Willkommenskultur arbeiten. "Das betrifft die Anerkennung ausländischer Abschlüsse wie den Umgang an Schulen."

Alberto fühlt sich in Karlsruhe wie neugeboren

Moctar Kamara vom Afrikarat Berlin-Brandenburg scheut den Begriff No-go-Area nicht. "Ibraimo Alberto ist kein Einzelfall, gerade Flüchtlinge haben es hier schwer." Schwarze würden mit ihren Problemen oft allein gelassen. "Es sei denn, es gibt Medienwirbel", sagt Kamara. "Aber der ist nach zwei Wochen vorbei."

Ibraimo Alberto will sein Schicksal nicht verallgemeinern. "Jeder muss seine Erfahrungen für sich schildern." Viele hätten ihn in Schwedt ja auch unterstützt, viele andere in ihm dagegen immer nur "den Neger" gesehen. In Karlsruhe sei er nun "wie neugeboren", sagt Alberto. In Schwedt habe die Stadt auf seine Hinweise zuletzt fast nur noch eine Reaktion gezeigt: Schweigen.

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11 Kommentare

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  • ES
    Ein Schwedter

    Also was sich manche Menschen erlauben, ist teilweise ungeheuerlich! Das manche Leute sich heraus nehmen, dass in Schwedt "Menschenschinder ein weites betätigungsfeld haben"(Zitat A.E.) Ich komme selber aus Schwedt und weiß, dass dies nicht so ist. Wir sind eine ganze normale Kleinstadt mit ihren Problemen und Herausforderungen, doch Schwedt als eine Stadt hinzustellen die gegenüber Ausländer intolerant ist, stimmt nicht! Ich bin selber in einem Verein engagiert und auch in meiner Schule gibt es Ausländer bzw. Halbausländer. Doch diese werden nicht gemobbt, nicht zusammengeschlagen oder sonstiges gewaltätiges.

    In unserer Stast gab es dazu einen sehr guten Artikel in der Regionalzeitung, der einige Sachen klar stellt. Der Link dazu hier: http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/976979/

    Allgemein kommt es für mich rüber, dass Herr Ibraimo eventuell wegen seinen fehlenden Abschlüssen immer wieder Rückschläge beruflich einstecken musste und dachte, dass er bei einer Arbeitsstelle nicht angenommen wurde, nur weil er schwarz war! Doch so ist es doch nicht, heutzutage zählen doch nur Abschlüsse oder nicht? Wenn du sowas nicht hast, kannst du dich fast vergessen auf dem Arbeitsmarkt. Und weil Herr Ibraimo auch keine Anerkennung für seine ehrenamtliche Arbeit als Ausländerbeauftragter und Helfer im Boxverein, fühlte er sich benachteiligt und bezog es eventuell privat auf sich und wertete es als Rassismus gegenüber Ausländern in Schwedt. Was jedoch nicht stimmt. Wir haben teilweise vereinzelt rechte Kräfte, aber welche Stadt hat das nicht? Und diese Kräfte sind auch so gering, dass kaum spürbar sind.

    Ich würde mich freuen zu meinem Kommentar Antworten zu bekommen und wenn sie den Artikel aus cer MOZ durch lesen würden. In diesem Artikel steht die ganze Geschichte der positiven Seite von Schwedt zu diesem Thema und meine Gedanken waren nur weitere Möglichkeiten zu diesem Thema.

     

    Ein Schwedter, der stolz auf seine Stadt mit Problemen und Herausforderungen ist, aber die nicht ausländerfeindlich ist!

  • DS
    Der Sizilianer

    @ allensteiner:

     

    Vielleicht gab es dieses "Verbrechen" also gar nicht - und sie sind eventuell einer RTL-"Explosiv"-Medienente aufgesessen??

  • A
    A.E.

    Schwedt befindet sich direkt an der Polnischen Grenze Menschenschinder haben dort ein weites betätigungsfeld ,die brauchen nicht mehr extra nach Pataya fliegen .

  • A
    allensteiner

    Zur Sache. In der Berliner U-Bahn wurde im Februar ein 30-Jähriger auf brutalste Weise zusammengschlagen, wochenlang lag der Mann im Koma. Die Täter stammten aus vier Nationen. Das Opfer wurde als "Scheiß Nazi" und Scheiß-Deutscher" beschimpft. Der Prozes läuft. Habe in keiner Zeitung von der Tat bzw. von der Gerichtsvehandlung irgendwo gelese, nur RTL hat von dieser rassistischer Tat berichtet.

  • ZM
    Zweierlei Maß

    "Das müssen wir aushalten."

     

    Ach nein, das nicht.

    Sorry.

     

    Also ich bin natürlich jetzt total entsetzt.

     

    Die ständigen Angriffe der Migranten auf Deutsche hingegen empfinde ich als Bereicherung.

     

    Mit freundlichen politisch korrekten Grüßen

  • M
    Momao

    Du Bist Deutschland !!** Sage Ich Nur **

    PS: Zu Gast bei Freunden oder habe ich mich verschrieben Zu Gast bei Fre(m)den oder Fe(in)den

  • SM
    Seresenai M.

    ich war in den jahren 2004 und 2005 beim musik-festival "splash!" in chemnitz. was ich da an rassismus zu spüren bekam, war einfach nur widerlich.

     

    ich will jetzt nicht sagen, dass es in meinem geliebten baden-württemberg keine art von rassismus gibt, aber es lässt sich hier in der weltoffenen stadt tübingen sehr gut leben.

     

    die meisten leute im osten sind einfach nun mal fremdenfeindlich gesinnt.

     

    einer meiner besten freunde kommt ursprünglich aus finsterwalde und ist jemand, der leute nach ihrem charakter verurteilt. deshalb solltet ihr nicht glauben, das ich alle über einen kamm schere.

     

    als dunkelhäutiger deutscher wird man in diesem land es immer schwer haben. die kinder werden ja schon von klein auf damit konfrontiert, das die "schwarzen" anders sind als sie.

     

    Beispiele:

    - pippi langstrumpf's vater ist "NEGERKÖNIG"

    - das grundschulspiel "WER HAT ANGST VORM SCHWARZEN MANN"

    - in bayern nennt man ein Colaweizen "NEGER"

    - beim billard muss die schwarze kugel als letztes rein, ohne dabei die weisse kugel zu versenken...das mit dem billard war nur ein witz:)

     

    ich will damit sagen, wenn wir nicht endlich alle miteinander schlafen bis zum zeitpunkt indem wir alle die gleiche hautfarbe besitzen, wird es immer fremdenfeindlichkeit auf dieser welt geben.

     

    ich wünsche dem alberto alles gute in karlsruhe, obwohl ich "diese badenzer als schwob net laide ko!" :) grüße aus tübingen

  • T
    TAZ-Leser

    Ein bemerkenswerter Artikel, der einerseits düstere Einblicke in die nordostdeutsche Provinz ermöglicht, andererseits aber auch die erfreuliche Nachricht transportiert, dass sich Herr Alberto hier - in dem von der TAZ gerne etwas schräg angeschauten "Schwabenländle" - offenbar schon recht wohlfühlt.

     

    Nicht nur in der BADISCHEN "Landeshauptstadt" Karlsruhe, sondern auch in Dörfern in der SCHWÄBISCHEN Provinz lässt es sich für anhand ihrer Hautfarbe bzw. Physiognomie erkennbaren "Ausländern" zwischenzeitlich doch recht gut leben, wobei gute Kenntnisse der Landesprache sicherlich sehr hilfreich sind.

     

    Der aus Pakistan stammende Nachbar erwirbt allabendlich Hühnereier bei einem 80jährigen Landwirt (CDU-Mitglied), während seine Gemahlin gemeinsam mit ihren hübsch rausgeputzen Töchtern im bunten Gewand noch ein bischen "flaniert". Ein einige Häuser weiter lebender Senior bringt allmorgendlich seine bildhübsche Enkeltochter in den Kindergarten (Vater Eriträer, die Mutter stammt aus dem Ort). Und ein türkisches Ehepaar in den Fünfzigern spaziert regelmäßig, gemeinsam mit ihrem von spastischen Ticks fürchterlich geplagten Sohn an unserer Haustüre vorbei, und grüßt alle freundlichst (zürück). Auch in der örtlichen Grundschule wird sehr viel für die Integration von Kinder mit Migrationshintergrund getan.

     

    Und wenn jetzt das neu geschaffene Ministerium für Integration auch noch einen guten Job macht, dann gelingt es hoffentlich auch, das unsere Kinder nach Abschluss der vierten Klasse weiterhin zusammenbleiben.

     

    Merke: Auch sehr konservativ Schwaben haben in der Regel ein großes Herz, übrigens auch gegenüber den hier immer zahlreicher werdenden "grünen" Nachbarn. Nachdem es uns gelungen ist, Polarisierer wie einen gewissen Herrn Mappus aus dem Regierungsamt zu wählen, dürfte es zukünftig noch viel schneller als bisher "aufwärts" gehen.

     

    Wohlwollende Grüße aus der Provinz!

     

    Ein langjähriger TAZ-Abonnent

  • KS
    Kevin Schröder

    Alte Traditionen lassen sich nicht so leicht überwinden. Und eine "soziale Revolution" wie 1968ff hat in der DDR nie stattgefunden, sondern nur eine Art "nationale Revolution" 1989/90.

  • E
    Entsetzt

    Was fuer ein trauriges Ereignis und was fuer eine Schande fuer Deutschland. Und bitte tuen wir nicht so, als waere Rassismus und Diskriminierung nur ein Problem im Osten Deutschlands. Ethnische Mitbuerger begegnen tagtaeglich der fremdenfeindlichen Kultur Deutschlands. Sagt man etwas dagegen, werden Beschwerden heruntergespielt, ignoriert oder als gar persoenliches Problem dargestellt, etwa wie in diesem Artikel Sensibilitaet. So viel Scheinheiligkeit in der deutschen Kultur widert mich an. Begegnen wir doch endlich dem Problem und bekaempfen Rassismus mit Haenden und Fuessen und vor allem Verstand!

  • A
    Andypapa007

    Danke Herr Alberto,

    und Danke an alle, die Ihm in dieser unvorstellbar langen Zeit zur Seite standen!

    Ich habe volles Verständniss, das Sie nun neue Wege gehen und wünsche Ihnen für Ihre Zukunft mehr Erfolg

    als in Brandenburg!