Eine Welt der Selbständigen

Wenn in Nairobi die ersten Regentropfen fallen und die Regenzeit beginnt, kommen sie herbeigeströmt: Straßenhändler mit Regenschirmen in allen Größen und Farben, die sich geschickt ihren Weg zwischen den Automassen bahnen.

Wenn der Regen dann die Straßen in kaum passierbare Mondlandschaften verwandelt hat, mangelt es nicht an unzähligen Männern, die die Schlaglöcher mit Sand zuschütten und dafür Wegegeld von Autofahrern kassieren. Und wenn ein Wagen liegen bleibt, ist binnen Minuten ein „Juakali“ zur Stelle, ein selbst ernannter Mechaniker, der mit nur einem Schraubenzieher oder einem Hammer ausgerüstet die erstaunlichsten Erfolge erzielen kann.

Deutschland mag die Heimat des Mittelstands sein, Afrika ist die Heimat des wahren Unternehmertums. Praktisch jeder ist selbstständig – nicht freiwillig, sondern mangels Alternative. Sogar diejenigen, die einen der begehrten Posten im aufgeblähten Staatsapparat bekommen haben, sind letztlich Selbständige auf höherem Niveau.

Wer etwa Nairobis Wasserversorger besucht, der trifft im Kundenzentrum gut dreißig Angestellte an, die dicht gedrängt vor leeren Schreibtischen sitzen. Der einzige Computer gehört dem Chef, und der zeigt sich nur selten. Wie sollte man es den Angestellten verdenken, dass sie von ihren Tischen aus per Handy unternehmerisch aktiv werden? Viele dirigieren die privaten Wasserlaster, die wegen der Versorgungskrise teuer Wasser nach Hause liefern.

Ohne die Hunderte von Millionen Selfmade-Unternehmern wäre Afrika längst kollabiert. Es ist das unternehmerische Fußvolk, das den Kontinent am Laufen hält.

MARC ENGELHARDT ist taz-Korrespondent in Nairobi