Kolumne Die Wahrheit: Schwer verdaulich

Schwabinger Krawall: Verächtlich betrachtet Herr Hammler den "Obatzten" aus dem Supermarkt und nimmt eine Kostprobe von der zähen gelblichen Substanz. So etwas sei...

... für den menschlichen Verzehr nicht geeignet, zumindest nicht für anständige Menschen. Ein Obatzter sei Resteverwertung, wobei ein schmackhaftes Produkt herauskommen könne, in das jedoch keinesfalls homogenisierter Industriekäse und Zwiebelpulver hineingehöre.

Glücklicherweise hat er seiner Frau acht Wochen lang untersagt, den Rohmilchcamembert, den ihm sein Vetter Alfons aus Niederbayern mitgebracht hat und der mittlerweile interessant gefärbt und so weich geworden ist wie ein Pfannkuchen, in den Müll zu werfen. Jetzt, sagt er, habe er die richtige Reife, um mit Zwiebeln, Butter, Paprika, Kümmel und einem Schuss Bier in etwas verwandelt zu werden, was die Bezeichnung Obatzter zu Recht trage. Zaghaft fragt Frau Hammler, ob er den ehemaligen Käse nicht lieber auf dem Gesundheitsamt untersuchen lassen wolle, bevor er sich mit Salomonen infiziere. Das heiße Sarmodellen, sagt ihr Mann, und so was bekomme man höchstens von ihrem Supermarktgammel.

Als er im Biergarten die Käsedose öffnet, machen drei Touristen am Nebentisch ein Gesicht, als hätten sie einen Geist erblickt. Drei Minuten später sind sämtliche Tische leer, wobei ein dicker Mann mit Stadtplan bei seiner eiligen Flucht ruft, ihm reiche es jetzt mit diesen Südländern und ihrem Wahnsinn, und eine Mutter ihrem Kind einschärft, "Scheiße" sage man nicht, und was der Mann da esse, sei bestimmt was anderes. Er habe es sowieso lieber nicht so eng, sagt Herr Hammler und lässt es sich schmecken.

Als nachts das erste Stöhnen ertönt, nimmt Frau Hammler dies noch gelassen. Dann schwillt das Ächzen, Wimmern und Röcheln an; nach einem lautstarken Gang aufs Klo kommen exotische Verdauungsgeräusche hinzu, ihr Mann wälzt sich im Bett, als hätte er Flöhe, und schließlich fragt sie, ob sie lieber den Notarzt holen solle. Statt einer Antwort stürmt Herr Hammler erneut aufs Klo und veranstaltet etwas, was sich anhört wie eine Blaskapelle bei dem Versuch, einen Marsch aus dem Stegreif zu improvisieren.

Gegen sieben Uhr früh läutet die alte Frau Reibeis und sagt, dass die Studenten im Haus neuerdings nachts Jazzkonzerte veranstalten und in der Wohnung Feuerwerkskörper entzünden, gehe zu weit. Frau Hammler findet ihren Mann auf dem Klo sitzend, schweißgebadet, aber noch am Leben, besprüht ihn mit Tannenduft und Franzbranntwein, ehe sie ihn ins Bett bringt, das er zwei Tage lang nur verlässt, um sich zu erleichtern und Kamillentee zu trinken. Dann ist er so weit wieder hergestellt, dass er seinen Hausarzt aufsuchen kann. Der Arzt ist ratlos, weil seiner Meinung nach kein Mensch in der Lage sei, solche Unmengen an verdorbenen Milchprodukten zu sich zu nehmen. Seiner Frau sagt Herr Hammler, er werde in Zukunft das unhygienische Biergartenklo ebenso meiden wie jeden Käse, von dem er noch nie viel gehalten habe, und seinen Vetter Alfons, für den das Gleiche gelte.

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kari

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