Parolen auf Demos: Gericht verhandelt Mörder-Frage

Die Polizei verbietet, auf einer Demo Personen als Mörder zu bezeichnen. Die Veranstalter wittern einen Verstoß gegen die Demonstrationsfreiheit. Nun entscheidet das Gericht.

Proteste nach dem Angriff des israelischen Militärs auf die "Free Gaza"-Flotte. Bild: ap, Markus Schreiber

Darf die Polizei Teilnehmern einer Demonstration verbieten, Menschen oder Gruppen als Mörder bezeichnen? Darf sie ihnen verbieten Parolen wie "Tod Israel" zu rufen? Oder greift es in die Demonstrationsfreiheit ein, wenn die Polizei derartige Auflagen stellt? Diese Fragen verhandelte am Freitag das Berliner Verwaltungsgericht.

Die Demonstration, die das Gericht beschäftigt, fand am 4. Juni 2010 statt. Wenige Tage zuvor hatte das israelische Militär die "Free-Gaza"-Flotte im Mittelmeer gestoppt, bei der anschließenden Auseinandersetzung starben neun Menschen. Die Demonstration, die vom Roten Rathaus zum Pariser Platz führte, sollte eine Reaktion auf den Angriff sein. Im Vorfeld formulierte die Polizei eine Reihe von Auflagen für die Demo - gegen zwei wehrt sich die Palästinensische Gemeinde vor Gericht.

Beide Auflagen betreffen Parolen, die Teilnehmer rufen könnten, beziehungsweise Aussagen, die ihnen untersagt werden. Dazu gehört unter anderem, Straftaten gut zu heißen, zu billigen oder zu ihnen aufzurufen. Darüber hinaus untersagte die Polizei Parolen wie "Tod den Israelis" oder die Bezeichnung von Personen oder Personengruppen als "Mörder".

Rechtsanwalt Hans-Eberhard Schultz, einer der beiden Anwälte der Kläger, argumentierte im Prozess unter anderem mit der Situation im Nahen Osten. "Es gibt viele, die sagen, dass das in Gaza ein schleichender Mord ist, weil zum Beispiel keine Medikamente hinkommen." Er verwies darauf, dass es angesichts der politischen Situation sicher weitere Demonstrationen geben werde - und dass die Frage, was die Teilnehmer äußern dürfen, daher auch für die Zukunft relevant sei.

Der Richter ließ durchblicken, dass jede untersagte Aussage einzeln bewertet werden müsse. Er verwies unter anderem auf das Bundesverfassungsgericht, das die Parole "Soldaten sind Mörder" für zulässig hielt. Ein pauschales Verbot der Bezeichnung "Mörder" kurz nach einem Angriff, bei dem Menschen zu Tode kamen, sei wohl nicht haltbar. Bei Aussagen wie "Tod den Israelis" neige er aber dazu, die Auflage für rechtmäßig zu halten.

Der Richter schlug der Polizei vor, in zukünftigen Fällen zumindest teilweise auf konkrete Formulierungen im Auflagenbescheid zu verzichten und bei strafrechtlich relevanten Äußerungen einfach einzugreifen. Das lehnte der Vertreter der Polizei, der Justiziar Oliver Tölle, mit dem Hinweis auf die Einsatztaktik ab. Die betreffenden Personen würden nicht verstehen, warum sie aus der Demonstration herausgegriffen wurden, sagt Tölle. "Da fliegt uns die ganze Versammlung in die Luft."

Obwohl das Gericht zum Ende der Verhandlung die Sache als "entscheidungsreif" befand, wird es das Urteil frühestens im September geben. Die Anwalte der Kläger haben angekündigt, Rücksprache mit ihrem Mandaten halten zu wollen, um eventuell die Beanstandung einzelner verbotener Aussagen zurückzunehmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.