Die Wahrheit: Der Berufsberserker

Die Welt beherrschen wollen: Martin "Schulzzzzz!" Schulz.

Dem deutschen Qualitätsjournalismus standen die Nerven zu Berge, entsetzt hielt eine seriös polierte Öffentlichkeit sich die Hand vor den aufgeklappten Mund. Ja, der Zeit selbst stockten vor Schreck die Zeiger an jenem Junitag 2011, als Martin Schulz in Straßburg verkündete, Anfang 2012 das Europäische Parlament zu übernehmen, sich die Krone des Präsidenten aufzusetzen und zum Herrn über Leben und Tod von 754 Abgeordneten aufzuwerfen.

Alle, die Politik als nüchtern montiertes Arbeitsgebiet, als sachlich schmeckendes Berufsfeld betrachten, in dem eine sauber verputzte Vernunft regiert und allein das Tonnengewicht überzeugender Argumente den Ausschlag gibt, schrien auf. Ausgerechnet Martin Schulz, der Heißsporn, der Hitzkopf, der Berserker, dessen leicht entzündbares Temperament ihn am Rednerpult wie in den Ausschusssitzungen schnell auf 180 hochschraubt! Der Mann ohne Augenmaß, aber der dampfenden Stimmungen, glühenden Emotionen!

Nicht wenigen Beobachtern rutschte der acht Jahre alte Juli 2003 ins Gedächtnis, als Schulz erstmals in die Weltpresse vorrückte. Damals war es dem mit allen Tricks Gewaschenen gelungen, den auf dem ganzen bewohnten Globus geschätzten italienischen Ministerpräsidenten und Ehrenmann Silvio Berlusconi mit wohlfeil zusammengeklaubten Unterstellungen aus dem diplomatischen Gleichgewicht zu kippen. Als der Italiener seinem Peiniger mit einem freundlichen Schmunzeln die Rolle des gleichnamigen Kapo Schulz in einer italienischen KZ-Schmonzette antrug, stach er mit diesem Scherz in ein Wespennest: Die humorlose Journaille ergoss sich wie verabredet über den italienischen Gentleman und Homme à femmes, während der raffinierte Fallensteller und ruchlose Filou Schulz als blütenreiner Fixstern am Himmel über Europa aufging.

Kein Einzelfall in der Karriere des geriebenen Ränkeschmieds! Zuletzt glückte es ihm im November 2010, den britischen Europaabgeordneten Godfrey Bloom dazu zu bringen, ihm, Schulz, mit dem Slogan "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" ins Wort zu platzen und ihn einen "undemokratischen Faschisten" zu nennen. Schon hatte der Meisterintrigant sein Ziel erreicht: Der Parlamentspräsident schmiss den aufrechten Briten und ehrlichen Gegenspieler Schulzens mit dem Scheitel voran aus dem hohen Saal. Schulzens Kopf aber verzog sich zu einem großen Grinsen, das wie aus der Hölle gestiegen wirkte, wenn es etwas freundlicher gewesen wäre.

Martin "Mephisto" Schulz: Shakehands mit den Großen und Mächtigen des Universums, die er durch seine Dossiers in der Hand hat, sind für ihn so selbstverständlich wie täglich nächtliche Seitensprünge mit Menschen, die er um seinen großen Daumen wickelt. Schulz lässt nichts auf dieser Weltkugel aus, sein Ehrgeiz will mindestens alles. Mögen durchschnittlich ausstaffierte Politiker in Papierwelten leben, ihre Sitzungen abbrummen, im "Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Inneren" leere Kompromisse ausklüngeln oder in der "Delegation für die Beziehungen zu den Ländern Südamerikas in Asien" am eigenen Beziehungsnetz häkeln - Martin Schulz lebt auf anderem Kaliber. Schon bei den nackten Worten "Funktionär", "Institution", "parlamentarische Anfrage" und "Kollege" wachsen ihm widerborstige Stacheln auf der Haut, und die gestriegelten Musterknaben, die der Allgemeinheit in ihrem Politikerleben nie eine Unwahrheit servierten, hat er mit Mann und Maus gefressen.

Martin "der Wolf" Schulz: Wenn er im Wahlkampf in ausverkauften Stierkampfarenen und Bierzelten spricht, liegen ihm seine Anhänger stehend zu Füßen. Er rührt im Kessel der Leidenschaften, während seine Gegner hilflos im flachen Meer der Rationalität und Berechenbarkeit rudern. Auf diese Weise schaffte es der mit allen Hunden gehetzte Rhetoriker schon in jungen Jahren, 1987, mit 31, sich zum weltweit jüngsten deutschen Bürgermeister in Würselen zu machen - einem Ort, der genauso ist, wie er heißt, aber exakt der richtige windabgewandte Platz war, wo Martin Schulz ausreifen konnte. Denn im Jahr 1955 auf die Welt von Hehlrath bei Aachen gekommen, im Ländereck mit Belgien und Holland, war ihm ganz Europa in die Windeln gelegt, und nachdem er ein paar weiche Runden in der Kommunalpolitik gedreht hatte, kletterte er 1994 hart und steil ins Europaparlament.

Vor und hinter den Kulissen arbeitet er seither mit allen Schikanen daran, den Kontinent zu übernehmen. 2009 landete der Vorsitzende der sozialdemokratischen Europafraktion und Drahtzieher endlich seinen großen Coup: Abgefeimt wie nichts Gutes erlaubte er dem EU-Kommissionspräsidenten Barroso, weiter den EU-Kommissionspräsidenten Barroso zu spielen, wenn dafür er, Martin "Godzilla" Schulz, Anfang 2012 das EU-Parlament und damit ganz Europa in die Tasche bekomme. 500 Millionen Menschen und Milliarden Tiere würden dann ihm gehören, hätten auf seinen Pfiff zu parieren. Wird seine heiße Gier nach Ruhm, sein brennender Hunger nach Macht, sein alles zermalmender Ehrgeiz damit bereits zufrieden sein?

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kari

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