LESERINNENBRIEFE
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Pressefreiheit ist beliebig

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss“ von Liza Krasavtceva, „taz goes east“, Osteuropaworkshop, taz vom 23. 2. 13

1. Eine Diktatur schickt eine Praktikantin zur taz, und Genickschusspropaganda wird in der taz als Volkesstimme dargestellt. Völkisches Gedankengut zu verbreiten, ohne direkt darauf kritisch einzugehen, ist unzumutbar. 2. Jungen Journalisten aus Osteuropa zu vermitteln, dass totalitäres Gedankengut unkommentiert in einer liberalen Zeitung zu publizieren geht, heißt, sie zu lehren, dass Pressefreiheit beliebig ist. Die taz tritt mit der Veröffentlichung des Artikels die Pressefreiheit mit Füßen. 3. Die Geisteshaltung von Liza Krasavtceva hat nichts mit unterschiedlichen, regionalen Realitäten in Europa zu tun, und sie ist sicher nicht repräsentativ für die Bevölkerung in Weißrussland, da diese nichts zu melden und zu sagen hat. Die Bevölkerung in Weißrussland ungeprüft mit der Haltung des Regimes gleichzusetzen ist infam. Präsident Lukaschenko kann in Zukunft darauf verweisen, dass in der Bundesrepublik ein kritisches Blatt seine Hinrichtungspraxis widerspruchslos darstellt und damit für diskussionswürdig erachtet. STEPHAN BUCHKREMER, Etzelwang

Lieber differenzierte Sichtweisen

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss“, taz vom 23. 2. 13

Da gibt es immer mal wieder interessante Artikel, die anderen Themen und Sichtweisen Raum geben, zeilenmäßig wie gedanklich. Zu solchen Artikeln gehört auch dieser. Ich will keine Zeitung, die mich in meiner Meinung bestärkt. Ich will lieber differenzierte Sichtweisen kennenlernen. Und diese bitte nicht vorher einer Untersuchung auf sprachliche politische Korrektheit tazscher Prägung unterziehen. Denken kann und will ich selbst. Es wäre schade, wenn der Aufschrei der (Selbst-)Gerechten diese Vielfalt zerstört.

CHRISTIAN MÜLLER, Darmstadt

Hoffentlich ein Einzelfall

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss“, taz vom 23. 2. 13

Liebe tazler, wenn Pluralismus, Liberalität und Toleranz für euch bedeutet, dass man in der taz alles schreiben kann, sogar Dinge, die eure Zeitung vehement bekämpft, und zwar zu Recht bekämpft, dann habe entweder ich oder ihr habt etwas falsch verstanden. Es ist auch keine Zensur, wenn man die Veröffentlichung von etwas ablehnt, was dem Geist der Zeitung so vehement widerspricht. Ich will gar nicht davon reden, dass die Argumentation in dem Artikel bisweilen extrem dümmlich war; ich bin ganz einfach der Meinung, dass ein solcher Artikel nichts in eurer Zeitung zu suchen hat. Ich hoffe, dass dies ein Einzelfall bleibt, und vertraue weiter auf eure Urteilskraft und eure journalistische Qualität. STEFFEN OHIN, Mainz

Wie lebendig die Welt ist

■ betr.: „Bei Rassismus denke ich an Mengele“ u. a., taz v. 26. 2. 13

Wir essen, was uns schmeckt. Egal, wie es heißt. In der Phase, wo Kinder ihre Sprache kennenlernen und „wortwörtlich“ nehmen, habe ich mich oft gefragt, was es bedeutet, einen Amerikaner zu essen oder einen Berliner. Es gab immer Wiener Würstchen (die schlanken eleganten) mit Kartoffelsalat, die Frankfurter waren zu plump und dick! – davon wurde uns immer schlecht. Der Mohrenkopf ist süß und lecker, wird mit Schokolade überzogen, die aus Afrika kommt, und die Menschen da sind so braun wie Schokolade – wird sich wohl der findungsreiche Konditor gedacht haben. Assoziation eben.

Was ist da Rassismus? Dass ich einen schlanken Wiener dem dicken Frankfurter vorziehe, ist nur Geschmackssache, und wenn ich bei Schokoladengebäck an Afrika denke, bin ich Rassistin? Wenn ich Amerikaner langweilig und fad finde und der Zuckerguss viel zu klebrig ist, beim Berliner dagegen ein fruchtiger Kern überrascht – hat das nichts mit der Sichtweise auf die Menschen, die da leben, zu tun? Für uns war das alles in einer Schublade drin: die Erwachsenen machen komische Sachen.

Florentiner ist ein Gebäck, aber auch eine Hutform, Budapester sind klassische Herrenschuhe, Marokkaner konnten wir bis vor Kurzem in holländischen Coffeeshops kaufen. Eine Rohrzange wird auch Schwede genannt. Der Italiener ist eine Hühnerrasse, aber auch die von Tamilen betriebene Pizzabude nebenan. Der Franzose ein verstellbarer Schraubenschlüssel. Das sind alles Begriffe, die mit der Herkunft, aber auch mit dem Verhältnis der Menschen zu diesen Gegenständen zu tun haben. In allen steckt sicher immer ein Kern von guten wie schlechten Erfahrungen drin und natürlich Witz/Humor. Sich damit zu beschäftigen ist spannend und zeigt, wie lebendig die Welt ist. KATJA HÖRTER, Remscheid

Es zählen die Fakten

■ betr.: „Grünen-Wähler lieben Merkel“, taz vom 23. 2. 13

Ich lasse mich schon lange nicht mehr von irgendwelchen Meinungsumfragen beeinflussen. Für mich zählen ausschließlich Fakten: Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Merkel ist zwar auch für Mindestlohn, kann ihn aber nicht durchsetzen. Sie hat zwar unter Druck die Energiewende hinbekommen, dabei blieb es aber auch. Die Erzeuger der erneuerbaren Energien sind durch ihre Politik der halben Schritte völlig verunsichert. Jede schwarz-gelbe Landesregierung wurde bis jetzt abgewählt.

Ich bin mit der Politik von Frau Merkel gar nicht mehr einverstanden und weiß bereits jetzt, wen ich zu wählen habe.

MARTIN BRÖMER, Iserlohn