Spinnen die Römer oder wir?

EU Montis Wahlpleite schockt viele in Brüssel und an den Börsen. Aber die Sparpolitik ändern will kaum jemand

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

Nach der Wahl in Italien herrscht Katerstimmung in Brüssel. Die Berufseuropäer und Euroretter hatten auf eine Wiederwahl „ihres“ Kandidaten Mario Monti und eine Bestätigung des italienischen Spar- und Reformkurses gesetzt. Monti aber erhielt nur schlappe 10 Prozent, eine klare Mehrheit der Italiener stimmte gegen die Austeritätspolitik. Das war ein Schock – vor allem für die EU-Kommission, wo Monti lange Wettbewerbskommissar war.

Ohne Monti und dessen Reformkurs, so fürchten viele in Brüssel, könnte nicht nur die Lage in Italien außer Kontrolle geraten. Auch die Eurokrise, die sich nach dem Abgang von Montis Vorgänger Berlusconi etwas entspannt hatte, könnte wieder aufleben. Und auch Spanien in den Krisenstrudel geraten. Doch wer nun klare Worte aus Brüssel, vielleicht sogar ein Umdenken erwartete, wurde enttäuscht. Der Sprecher von Kommissionschef José Manuel Barroso ging allen heiklen Fragen aus dem Weg. Austeritätspolitik? Hat gar nicht stattgefunden. „Wir verfolgen eine Agenda von Wachstum und Jobs“, so der Sprecher allen Ernstes. Und diese Agenda werde auch mit der neuen italienischen Regierung fortgesetzt werden.

Und die Eurokrise? Der Barroso-Sprecher versuchte es mit verbalen Verrenkungen. Italien habe sich zum weiteren Abbau des Defizits verpflichtet, und man gehe davon aus, dass auch die neue Regierung dazu stehe. Im Übrigen komme dies auch den Italienern zugute, denn sonst müssten ja ihre Kinder für die Schulden die Zeche zahlen. Basta! Klare Worte fand nur der Präsident des Europaparlaments, der SPD-Politiker Martin Schulz. Für ihn zeigt das Wahlergebnis „eine große Skepsis gegenüber dieser einseitigen Kürzungspolitik“ im Zuge der Eurokrise, sagte Schulz im Deutschlandfunk. „Diese Politik ist einfach nicht richtig. Wir brauchen eine Kombination aus nachhaltiger Haushaltsdisziplin und Investitionspolitik, die Arbeit schafft.“ Ganz anders wiederum der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Dieser forderte, „dass die Politik der fiskalischen Konsolidierung und der Reformen von einer neuen Regierung konsequent fortgesetzt wird“. Angesichts der Eurokrise säßen „alle in einem Boot“.

Wirklich? In Wahrheit profitierte Deutschland gestern von dem italienischen Chaos. Die Anleger rissen sich um Bundesanleihen, Italien hingegen musste wieder höhere Risikoaufschläge zahlen. Zwar müsste Deutschland wohl den höchsten Preis zahlen, wenn Italien tief in die Krise rutschen sollte. Doch noch ist es nicht so weit: Italien gehört zu den größten EU-Nettozahlern. Rom braucht auch, anders als Athen oder Madrid, kein Geld aus dem Euro-Rettungsfonds, sondern zahlt noch ein. Das könnte sich allerdings ändern, wenn die Finanzmärkte wieder nervös werden und Italien näher an die Zahlungsunfähigkeit bringen. Tatsächlich gab es gestern einige Anzeichen für eine neue „Eurozonen-Schulden-Angst“, wie die Financial Times dichtete. Die Börsen gaben weltweit nach, der Euro notierte schwächer. Doch am Nachmittag beruhigte sich die Lage schon wieder. Vielleicht lauert die größte Gefahr ja gar nicht in Rom, sondern bei den Euro-Dogmatikern und Marktanbetern?