Wer wagt, gewinnt

Arbeitskampf in Zeiten der Krise: IG Metall Küste vermeldet Erfolge beim insolventen Autozulieferer Nier

Die Devise ist alt: „Angriff ist die beste Verteidigung“. Aber mit dem Zusatz „auch in der Krise“, stößt IG Metall Küste-Chefin Jutta Blankau in diesen Zeiten sicherlich bei vielen Gewerkschaftsfürsten nicht auf ungeteilte Zustimmung. Trotzdem: Der Erfolg gibt ihr Recht. Durch offensives Vorgehen konnte die Gewerkschaft bei dem in Insolvenz geratenen Automobil-Zulieferer Nier nicht nur die Standorte im schleswig-holsteinischen Hohenlockstedt bei Itzehoe und Lübeck sichern, sondern für die von Entlassung betroffenen MetallerInnen noch eine Transfergesellschaft für 12 Monate plus Abfindungen durchsetzen.

Die Nier GmbH mit Zentrale in Remscheid ist ein Sepzialbetrieb für Motoraggregate. 500 MitarbeiterInnen zählt die Frima an drei Standorten, davon 200 in Hohenlockstedt und 70 in Lübeck. Anfang Oktober meldete Nier überraschend Insolvenz an. Im Zuge der ersten Gespräche mit dem Insolvenzverwalter Klaus Pannen von der Hamburger Promi-Sozietät „White and Case“, der Geschäftsführung und dem Betriebsrat deuteten sich nur Billiglösungen an. 150 Jobs sollten im Norden abgebaut und die Betroffenen mit einer Abfindung in Höhe von 40 Prozent eines Monatsgehaltes pro Beschäftungsjahr abgespeist werden. Die Verbleibenen sollten statt 35 fortan 40 Stunden pro Woche ohne Lohnausgleich arbeiten.

Parallel zu den gesetzlich vorgeschriebenen Verhandlungen mit dem Betriebsrat forderte die IG Metall auf der tarifpolitischen Schiene einen „Sozialtarifvertrag“ und setzte mit Demos und Warnstreiks ihr Instrumentarium ein. Sollte es kein Ergebnis geben, wurde mit der Besetzung des Betriebes gedroht. Denn nur wenige Tage Produktionsausfall bei Nier hätte bei vielen großen Autoherstellern wegen der Just-in-Time-Produktion die Bänder zum Stehen gebracht. „Eine unentgeltliche Arbeitszeitverlängerung war für uns inakzeptabel“, so IG Metall-Verhandlungsführer Uwe Zabel. „Damit wären 50 Leute mehr arbeitslos geworden.“

Die IG Metall pokerte hoch – doch wer nicht wagt, kann nicht gewinnen. Zwar konnten Entlassungen nicht verhindert werden, doch fällt der Jobverlust wesentlich geringer aus als befürchtet. Und Nier zahlt 1,75 Milllionen Euro für die 100 Betroffenen in eine Transfergesellschaft ein. „Durch die Transfergesellschaft konnten wir verhindern, dass langjährige Kollegen ohne Perspektive in die Massenarbeitslosigkeit entlassen werden“, sagt Zabel. „Zugleich konnten wir für die Verbleibenen auch in der Krise den Angriff auf die 35-Stundenwoche zurückschlagen.“ MS