Kolumne Älter werden: Just a Hippie-Dream

Von der Liebe der Weißen zu Puppenpflanzen und warum Indianerweisheiten schon immer autoaufklebertauglich waren.

Die jungen Leute reisen manchmal in die Stadt, um etwas zu kaufen. Dann gibt es Streit mit den Alten, weil die Jungen Sachen mitbringen, die unsere Gemeinschaft nicht braucht … Aber es ist nicht schlimm, denn in unserer Kultur wird alles geteilt. Die Sachen verschwinden dann wieder im großen Kreislauf, und meist gehen sie sowieso schnell kaputt."

Liebe AltersgenossInnen der Generation 50 plus (undogmatisch) links. Kennen Sie das Zitat? Nein? Klingt aber doch eigentlich - eingedampft - wie Janis Joplin: Freedoms just another word, for nothing left to lose (Bobby McGee). Also nach Hippie-Ideologie von vorgestern, nach Klassenkampf der Narren (F.-J. Degenhardt, Wallfahrt zum Big Zeppelin). Hä!?

Tatsächlich stammt das Zitat aus einem aktuellen Interview der FAZ mit Davi Kopenawa vom Stamme der isoliert im brasilianischen Regenwald lebenden Yanomami. Die Indianer sind bedroht, weil Goldgräberbanden die Gewässer mit Quecksilber vergiften. Das Trinkwasser wird so verseucht, und die Fische, eine der Nahrungsgrundlagen der Indianer, verenden.

Mit naiver Hippie-Ideologie - Even the Cops groove with us (Eric Burdon, Monterey) -, die damals schon etwa Frank Zappa brillant veralberte, hat das alles also nichts zu tun, sondern mit Überlebenskampf pur. Die Amazonasindianer, die sich den Diggern mit ihren Schnellfeuergewehren und Bulldozern mit Pfeil und Bogen entgegenstellen, leben schließlich schon immer so sanft ressourcenschonend und klimaneutral, wie die Hippies das wollten, aber nicht konnten (durften) in der ganz anderen, materialistischen Welt an Rhein, Seine, Themse und Hudson. Deshalb blieb das alles just a Hippie-Dream (Neil Young).

Indianerweisheiten, Sie von My Generation werden sich erinnern, waren allerdings immer schon autoaufklebertauglich: Erst wenn der letzte Baum gefällt usw. …, werdet ihr merken, das man Geld nicht essen kann! Der Yanomami Kopenawa sagte jetzt etwas ganz Ähnliches: Ich denke, dass es sehr traurig ist, dass die Weißen ihre Wälder kaputtmachen und sich dann solche kleinen Puppenpflanzen (Topfpflanzen) in die Häuser holen, um damit zu spielen.

Verklären muss man das primitive Leben der Amazonasindianer nicht - niemand von uns würde es dort auch nur einen Monat lang aushalten -, auch wenn die Linke in Deutschland dazu neigt, Angehörige ethnischer Minderheiten selbst in Europa (Basken, Korsen, die 21-Stuttgarter) per se für bessere Menschen zu halten. Die Indianer haben aber ein Recht darauf, so zu leben, wie sie wollen - in ihrer Welt. Und auch darauf, im Dschungel eines natürlichen Todes zu sterben, wenn ihre Zeit gekommen ist, und nicht auf der Intensivstation. Ihnen das zu garantieren ist Pflichtaufgabe der Weltgemeinschaft. Ihre ist es - auch wenn sie das Wort Pflicht gar nicht kennen -, uns permanent zu mahnen: Wenn die Weißen so weitermachen, werden alle Schutzgeister verschwinden. Dann wird auf der Erde ein Chaos sein. Und der Himmel wird herunterfallen (Kopenawa). Wer von uns älter werdenden Zeitzeuginnen und -zeugen will das schon noch erleben!?

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