Neuer Politstar in Dänemark: Jung, weiblich, überzeugend
Am 15. September wird in Dänemark gewählt. Ganz weit vorn, zumindest auf der Beliebtheitsskala: Johanne Schmidt-Nielsen, Spitzenkandidatin der "Einheitsliste".
"Kannst du mir eine Tasse Kaffee holen?", wurde Johanne Schmidt-Nielsen vor vier Jahren im Fernsehstudio vom Parteichef der dänischen Konservativen gefragt, bevor sich die Runde der Vorsitzenden zur Wahldebatte vor die Kameras setzte. Eine TV-Angestellte hatte Bendt Bendtsen in der 23-Jährigen vermutet. Als Spitzenkandidatin der "Einheitsliste" war ihm die bislang jüngste Teilnehmerin an einer "Elefantenrunde" unbekannt.
Heute könnte das nicht mehr passieren. Seit Monaten liegt Schmidt-Nielsen in Umfragen nach Kompetenz- und Sympathiewerten bei PolitikerInnen unangefochten an der Spitze. Für die Vorsitzende einer exkommunistischen Partei, die bei den letzten Wahlen 2,2 Prozent der Stimmen und vier Mandate erhielt, ist das erstaunlich. Ihre Partei kann bei den Wahlen am 15. September mit einer Verdreifachung der Stimmen rechnen.
Schmidt-Nielsen kommt so gut an, weil sie das meint, was sie sagt, und danach handelt. Seltene Eigenschaften bei Politikern, konstatiert das Kristeligt Dagblad: "Und sie hat eine Frische, die auch ältere Damen für sie stimmen lässt."
Als Beginn ihrer Popularität kann durchaus die Fernsehdebatte mit dem "Kaffeevorspiel" gelten. Davon zusätzlich in Schwung gebracht, präsentierte sich Schmidt-Nielsen so überzeugend, dass ein breites Publikum auf sie aufmerksam wurde und sie sich auch unter den "Elefanten" Respekt verschaffte.
Schmidt-Nielsen wuchs in einer Landkommune mit 20 Familien auf. "Da lernt man Toleranz und den Wert von Vielfalt", sagt sie. Mit 12 trat sie den Jungsozialisten bei. Die waren ihr nicht radikal genug, weshalb sie als 15-Jährige zur "Einheitsliste" wechselte. Sie stieg in den Parteigremien auf und legte einen Bachelor in Sozialwissenschaften ab.
Bei den Parlamentswahlen können die Stimmen für die "Einheitsliste" darüber entscheiden, ob Dänemark eine rot-rote Regierung bekommt. Eine Koalition mit Sozialdemokraten und Linkssozialisten kommt nicht in Frage: "Aber wir werden uns dafür einsetzen, dass sich Dänemark in eine solidarische, grüne und anständige Richtung entwickelt", verspricht Schmidt-Nielsen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke