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Rot-Grün in NRWLinke Angst vor Neuwahlen

Will NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) die Minderheitsregierung platzen lassen? Viele Linke fürchten das - und gehen auf Konfrontation zu Rot-Grün.

Ein Bild, das Linke verunsichert: Was hecken Löhrmann und Kraft jetzt schon wieder aus? Bild: dpa

MÜLHEIM/RUHR taz | Die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen sucht die Konfrontation mit der rot-grünen Minderheitsregierung von SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. "Wir tolerieren Rot-Grün nicht", warnte Landesparteichefin Katharina Schwabedissen beim Landesparteitag der Linken.

Einer verstärkten Zusammenarbeit von SPD, Grünen und CDU wollten die Abgeordneten der Linkspartei mit "knallhartem Widerstand" begegnen, warnte der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Zimmermann.

Getrieben werden die Linken von der Angst vor Neuwahlen. In Mülheim warnten RednerInnen immer wieder, Kraft könne ihre Minderheitsregierung schon im Frühsommer 2012 platzen lassen: "SPD und Grüne wollen Neuwahlen, damit sie im Landtag eine klare Mehrheit haben", so Landesparteichefin Katharina Schwabedissen stellvertretend für viele - vor den Sommerferien hatte eine Emnid-Umfrage die SPD bei 34, die Grünen bei 20 und die CDU bei 32 Prozent gesehen. Die Linkspartei lag dagegen wie die FDP um fünf Prozent und müsste um ihren Wiedereinzug in den Landtag zittern.

In der Landeshauptstadt Düsseldorf wird schon seit dem äußerst knappen Wahlergebnis vom Mai 2010 darüber spekuliert, ob und wann Kraft und der grüne Fraktionsvorsitzende Reiner Priggen für eine Auflösung des Landtags plädieren könnten. Vor ausgewählten Journalisten soll Kraft bereits betont haben, sie warte nur noch auf einen entsprechenden Anlass.

"Rote Haltelinien"

Der Streit um den Landeshaushalt 2012 könnte den bieten. SPD und Grüne hoffen, die von der Verfassung vorgegebene Schuldengrenze von rund 3,8 Milliarden Euro halten zu können - andernfalls könnten CDU und FDP Krafts Minderheitsregierung vor den Verfassungsgerichtshof in Münster zerren und als Schuldenmacher diskreditieren.

Die Linke beharrt dagegen auf ihren "roten Haltelinien": Im Haushalt dürften "kein Sozialabbau, keine Privatisierungen und kein Personalabbau" festgeschrieben werden - sonst könne Rot-Grün nicht wie bisher durch Enthaltung gestützt werden.

Gefordert wird außerdem mehr Geld für die vielen in NRW vor der Pleite stehenden Städte, ein verstärkter sozialer Wohnungsbau und ein Sozialticket, das 15 Euro kosten soll. Auch Rot-Grün hat ein solches Ticket beschlossen - kosten soll es allerdings 30 Euro. Die Mehrkosten schätzen die Linken auf rund eine Milliarde Euro. Zur Finanzierung wollen sie der in Abwicklung befindlichen WestLB der Geldhahn zudrehen.

30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich

Für Geschlossenheit sollte auch ein Leitantrag sorgen, den der Parteitag ohne Gegenstimmen beschloss: Darin fordern die 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich, einen Mindestlohn von zehn Euro, ein Verbot von Leiharbeit und Ein-Euro-Jobs.

Der linke Landesverband leidet - wie die Bundespartei - unter innerparteilichem Streit und Führungsschwäche: In Solingen etwa löste sich erst vor wenigen Tagen die linke Ratsfraktion auf, nachdem die Kreisvorsitzende den Mauerbau als "historische Notwendigkeit" bezeichnet hatte.

Ein Ende der Flügelkämpfe hatte zuvor bereits der heimliche Parteivorsitzende Oskar Lafontaine gefordert. Scharf kritisierte er die schwarz-gelbe Bundesregierung, aber auch SPD und Grüne: Die Konkurrenz verfüge über kein Konzept zur Lösung der sich Finanzkrise.

Die "Diktatur der Finanzmärkte" müsse gebrochen, das "Lohndumping" beendet und Hartz IV abgeschafft werden, forderte der einstige Linken-Chef und erntete damit minutenlange Standing Ovations - Lötzsch war dagegen weit weniger stark beklatscht worden.

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6 Kommentare

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  • J
    Jan

    Falschdarstellung beabsichtigt?

     

    Wieso wird in der taz aus einem 100 Mio. Euro Sozialticket plötzlich rund 1 Mrd. ????

    Dem Artikelschreiber Herrn Wyputta muss das doch anhand seiner Vergleichszahlen zum Schuldenstand aufgefallen sein.

    Das Zitat der Kreissprecherin aus Solingen ist auch falsch.

    Der ganze Artikel weckt den Eindruck von Kampagneschreibe.

  • MK
    Manuela Klein

    Man muß die Partei nicht mögen, aber sie ist die einzige Parte bei uns in NRW, die konsequent die Interessen der Menschen mit wenig Geld vertritt. Das rot-grüne "Sozial"ticket für 30 Euro ist zB in Dortmund gescheitert, das für 15 Euro hat dort geklappt. Und wenn die Linksparte sich nicht verbiegt, selbst auf die Gefahr, ihre Abgeordnetensitze zu verlieren, finde ich als einfache Bürgerin das schon schon ziemlich imponierend. Da habe ich als langjährige Grünenwählerin schon andere Erfahrungen gemacht, Stichwort Garzweiler oder jetzt aktuell Schulkonsens.

  • T
    Tanja

    Eigentlich sind die Linken mittlerweile für mich die glaubwürdigste Partei, insbesondere auch seitdem sie maßgeblich auch bei Stuttgart 21 die Betrügereinen aufgedeckt haben, die Grünen haben, obwohl sie mit in der Landesregierung waren, nichts davon bemerkt. Trotzdem tun sie jetzt so, als hätten sie alles aufgedeckt. Leider werden die Erfolge der Linken nicht in den Medien kommuniziert, sondern nur die Probleme, die andere Parteien offenbar auch desöfteren haben. Ich wähl auf jeden Fall nächstes mal die Linke und kenne immer mehr Leute, die das tun wollen. Dass die Linke nicht Haushalten könne, ist für mich kein Argument, CDU/FDP/SPD und Grüne können das offenbar genauso wenig, oder warum ist Deutschland so hoch verschuldet? Insbesondere das "tolle" Baden-Württemberg hat mit der CDU Schulden ohne Ende gemacht und Volkseigentum verkauft. Warum ständig behauptet wird, die CDU könne am besten wirtschaften, kann ich nicht nachvollziehen.

  • SB
    Sahra Berg

    Nach "Angst" vor Neuwahlen sieht das aber nicht aus, wenn die Linke auf Konfrontation geht. Es scheint doch eher so, dass man damit "rechnet" und sich auf klare Positionen verständigt hat. Ein Leitantrag, der ohne Gegenstimmen beschlossen wird, weist wohl kaum auf Zerstrittenheit hin.

  • MS
    Max Stahl

    Mir gefällt die Minderheitsregierung in NRW gut. Es tut gut, dass sich alle Parteien über Projekte unterhalten (müssen) und sie dann- je nach Thema- mit CDU oder Linken verabschiedet werden. Diese elende Block-/ Lagerbildung, in der man kategorisch gegen etwas stimmt, wenn es von der falschen Seite kommt, ist endlich einmal etwas aufgeweicht.

    Die "Linke" wird m.E. zunehmend peinlicher, sowohl im Bund als auch in NRW. Schöne Phantastereien ohne tragfähiges Konzept treffen zunehmend hart auf die Wirklichkeit, das Ganze wird garniert mit bundespolitischen Störfeuern zu Mauerbau, Kommunismusdebatte, Porsche für den Chef etc... Wem soll das weiterhelfen?

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Bei den "innerparteilichen Kämpfen" handelt es sich oft

    um "geheime", verdeckte Eingriffe von CDU/CSU/FDP/SPD/GRÜNE in die zarten Keime des Westaufbaus der LINKEN.

    Ganz freiwillig, "ohne Auftrag" von "Sympathisanten" der SPD und GRÜNEN ganz besonders.

     

    Der Leitantrag zur §= Stuidenwoche, Vrerbot de rleigharnebti ist natürlcih ganz im Sinne de rgwewerkscfaten.

     

    Ich weise darugfhin, dad keien ander Partei solch DGB undgerwerkschaftsnaheh Leitanträge uafLandeseben und nich häöher mcht.

     

    Es ist also klar, dass nur die LINKE die Arbeitnehemerintersssen politsch vertritt.

     

    Da wird halt mächtig interveniert.

     

    Der DGB und die Einzelgewerkschaften sind alles andere als politisch neutral.

     

     

    Um kein "SPD-Regierung wegzustreiken" hat man dem massiven Abbau von Rechten von Lohnabahängigen in den Gewerkschaften eher mitgetragen.

     

    Die SPD Bundesregierung ging dann freiwillig 1 Jahr vor ihrem offiziellem Ende.

    Die anschliessende "linke Mehrheit von der Mitte" wurde zur repressiven großen Koalition genutzt.

     

    Mit der hätte man so etwas auch verabschieden können, mit der linken Bundstagsmehrheit.