Kommentar Italien: Duce Berlusconi
Italien hat sich unter Berlusconi weit entfernt von der demokratischen Normalität, für die die Unterscheidung zwischen Amt und Amtsinhaber konstitutiv ist.
S elbst die Parteigranden im Faschistischen Großrat haben es seinerzeit geschafft, Mussolini abzulösen!" Deutlicher konnte Italiens Oppositionsführer Pierluigi Bersani kaum werden: Ganz wie Mussolini im Jahr 1943 hat auch Berlusconi sich im "Bunker" verschanzt - anders als sein Vorvorgänger aber muss er trotz all seiner Skandale, muss er auch im Angesicht der sich dramatisch zuspitzenden Situation Italiens in der Euro-Krise bisher keinerlei Verschwörungen in der eigenen Partei gewärtigen.
Für diesen Tatbestand gibt es nur eine Erklärung: Italien hat sich unter Berlusconi weit entfernt von der demokratischen Normalität, für die die Unterscheidung zwischen Amt und (temporärem) Amtsinhaber konstitutiv ist.
Noch von ganz anderer Seite erhielt diese Diagnose kürzlich Bestätigung: von einer der Prostituierten, die an Silvios Hof arbeiteten. "Klar" habe sie satte Honorare erhalten, und das sei auch richtig so, erklärte sie: Schließlich könne sie ja nicht im "Billig-Fummel zum Imperator gehen".
MICHAEL BRAUN ist Italien-Korrespondent der taz.
Der "Imperator" hat es geschafft, sein Schicksal untrennbar an das seiner Privat-Partei ebenso wie seiner Gefolgsleute zu knüpfen. Sie werden mit ihm untergehen, und nur dies hält seinen Sturz noch auf. Das heißt aber auch: Italien wird nach seinem Abgang nicht bloß seine Wirtschaft, sondern auch seine Demokratie sanieren müssen.
Eine Demokratie, in der ein milliardenschwerer Medienunternehmer ungehindert politisch tätig werden konnte, eine Demokratie, in der Parteien ohne jede Kontrolle diktatorisch geführt werden können: eine Demokratie schließlich, in der sich der Regierungschef jahrelang der Justiz zu entziehen vermochte. Berlusconi mag womöglich bald der Vergangenheit angehören - die Aufräumarbeiten aber werden Jahre dauern.
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