Gemeinsamkeit proben

BÜHNE Es werden schon die ganz großen Fragen gestellt im „(Kommenden) Aufstand nach Friedrich Schiller“ von andcompany & Co im HAU1, denen man dann doch eher aus dem Weg geht. Lachen aber kann man dabei viel

Witzig ist, wie sehr die Suche nach dem Aufstand visuell zur Symmetrie tendiert

VON KATRIN BETTINA MÜLLER

Das ist aber mal ein kreativer Einsatz der Inquisition. Die Männer mit den roten Kapuzen machen sich nämlich über einen jener alerten Spekulanten am Finanzmarkt her, der sich händchenreibend auf die nächste Rezession freut. Die Krise? Seine ist sie nicht, er hat daran verdient und in seinem flott gesprochenen Monolog den ein oder anderen Hinweis gegeben, dass auch anderen die Krise sehr wohl zum Nutzen war. Das wäre jetzt schon interessant, das genauer aufzudröseln, aber da zeigen ihm die Kapuzenmänner bereits ihre Folterinstrumente – Gitarren in Kreuzform unter anderem.

Andcompany & Co spielen das Stück „Der (kommende) Aufstand nach Friedrich Schiller“ auf der Bühne des Hebbeltheaters (HAU1). Vor einem Jahr hatte es in Oldenburg Premiere und vor Kurzem wurde es von den Lesern der nachtkritik.de unter die zehn Stücke gewählt, mit der sie die Auswahl des Berliner Theatertreffens kritisieren. Mit einer deutsch-flämischen Besetzung schlägt es thematisch einen Bogen von den Geusen, die im 16. Jahrhundert in den Niederlanden gegen die Spanier aufstanden, zu den Erwartungen an die Aufstände der letzten drei Jahre. Dabei werden Texte von Friedrich Schiller – „Der Abfall der Niederlande“, „Was ist und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte“, „Don Carlos“ – genutzt, ergänzt mit Zitaten aus Manifesten wie „Der kommende Aufstand“.

Zufall oder ein Muster?

Das Hüpfen quer durch die Geschichte gebiert dabei durchaus bedenkenswerte Fragen. So überlegen die Schauspieler: „Warum reden wir über Spanien im 16. Jahrhundert, wenn es dort heute wieder kracht? Ist das Zufall oder ein Muster?“ Und „Zufall oder Muster“ blinkt dann als Schrift über einer mit Silberfolie verkleideten Konstruktion auf, die erst für einen Berg aus Silber steht in Südamerika, der für den Reichtum der Spanier im 16. Jahrhundert von Bedeutung war, und später zum Schloss von Don Carlos wird.

Es steckt tatsächlich Potenzial in der Frage, was denn der Aufstieg Spaniens vor mehr als 400 Jahren mit der gegenwärtigen Situation zu hat, welche damals geprägten Leitbilder bis heute Spuren in der politischen und ökonomischen Aufstellung des Landes hinterlassen haben – aber in diese Richtung geht es nicht auf der Bühne weiter.

In der Verlinkung der Zeiten steckt ein mächtiger Anspruch, die Welt erklären und auf eine Formel bringen zu können, den andcompany & Co dann doch nicht einlösen. Wie denn auch? Eher funktioniert ihre Performance als eine Wunscherfüllungsmaschine, in der Personal aus der einen Epoche bei Bedarf in die andere marschiert und die Inquisition mal eben den Krisengewinnler abstraft. Denn obwohl ihr Stück immer wieder die ganz großen Fragen stellt, glaubt die Truppe eher nicht daran. Denn der, der die größten Fragen stellt, hampelt dabei im Hemd und ohne Hose durch die Zuschauerreihen – ein von seinen Schauspielkollegen gehetzter Fanatiker, der hinter der Bühne beruhigt werden muss.

So kommt die Probe des Aufstands, zu der die neun Männer auf der Bühne sich getroffen haben, nicht zu Potte, weil entweder außer Kontrolle geratene Mitglieder zu bändigen sind oder der Kontext so verrutscht ist, dass die radikalste Stimme ausgerechnet eine Kopf-ab-Stimme ist. Verzweifelt wird der Aufstand gesucht, wie ein Ding? Schläft er noch in den gigantischen Pappeiern, die ansonsten sinnfrei herumliegen? Steckt er hinter der gemalten Tapete?

Lachen kann man auf jeden Fall viel in diesem Stück. Auch dank Joachim Robbrecht, einem flämischen Theatermacher, der an diesem Abend öfters mal als Barde in die Bresche springt und im Übrigen auf die Krise der Künste in den Niederlanden hinweist, wo Freie Gruppen gerade durch massive Kürzungen der Subventionen um ihre Existenz gebracht werden. Mit den Andcompany-Regisseuren Alexander Karschina und Nicola Nord hat Robbrecht auch den Text des Stücks entwickelt.

Den Körpern vertrauen

Mit ihm üben sich die Darsteller gelegentlich in Mehrsprachigkeit, auch im Chor. Es mögen zwar simple Theatertricks sein, mit denen andcompany & Co dabei Gemeinsamkeit in Sprach- und Bewegungsübungen erst unter sich und dann mit dem Publikum herstellen. Und doch kommen sie in der Organisation ihres Text- und Recherchematerials auf der Bühne dem Anspruch nach demokratischen Strukturen noch am nächsten – mehr als im diskursiven Output. Vielleicht hört man immer zu sehr auf die Worte und vertraut zu wenig den Körpern, wenn man eine inhaltliche Ausrichtung in dem Stück vermisst.

Witzig ist, wie sehr die Suche nach dem Aufstand dabei visuell zu Symmetrie und Ornament tendiert – im aufklappbaren Bühnenbild, in der Verteilung von Protestschildern, in der Gruppierung der Schauspieler. Das hat nicht nur was von Folklore, sondern auch von tief verankerten Darstellungsmustern. Ihre Benutzung und ihre Parodie sind nicht mehr zu unterscheiden in dem „(Kommenden) Aufstand“ nach der andcompany.

■ Wieder 28. 2. im HAU1, 20 Uhr