Schwedischer Zeitungsmarkt schrumpft: In The Year 2025 …
Trotz schwarzer Zahlen entlassen Schwedens Zeitungen über 300 JournalistInnen. Der Fokus verschiebt sich auf Online-First-Modelle, mit Printmedien als Ergänzung.
STOCKHOLM taz | "Wir müssen das jetzt machen, um unsere Zukunft zu sichern", sagt Jan Helin, Chefredakteur von Aftonbladet, Schwedens auflagenstärkste Zeitung und zugleich größtes Onlinemedium Schwedens. "Schließlich leben wir in einer wirtschaftlichen Realität." Der Eigentümer, der norwegische Schibsted-Verlag, hat letzte Woche angekündigt, ein Fünftel der derzeit 323 Aftonbladet-RedakteuerInnen entlassen zu wollen.
Kürzungen im journalistischen Sektor kündigten gleichzeitig verschiedene Medien des schwedischen Bonnier-Verlags an. Insgesamt sollen im Print- und TV-Bereich rund 300 JournalistInnen entlassen werden.
Es ist keine Branche in der Krise, die da kürzt. Alle betroffenen Verlage schreiben schwarze Zahlen. Mussten aber ihre Gewinne in letzter Zeit schrumpfen sehen – was hauptsächlich auf langsam, aber stetig sinkende Auflagenzahlen zurückzuführen ist.
Wurden in Schweden vor 15 Jahren noch im Schnitt täglich 5 Millionen Zeitungsexemplare verkauft, sind es jetzt nur noch 3,5 Millionen. Der Teil der Bevölkerung, der eine Zeitung abonniert, oder sich mindestens fünfmal wöchentlich eine kauft, ist von 77 auf 63 Prozent gesunken. Und weil vor allem zu wenig jüngere Print-LeserInnen nachwachsen, könnte sich diese Entwicklung beschleunigen.
"Mentale und kulturelle Veränderung"
Für Aftonbladet werden die Personalkürzungen mit einer vollständigen Umstrukturierung der Arbeit verbunden sein, kündigt der Chefredakteur an: "Das wird auch eine mentale und kulturelle Veränderung." Die Hauptfrage für die Redaktion werde nicht mehr sein: "Was bringen wir morgen?" In Zukunft herrsche das Prinzip "online first": "Danach machen wir die Zeitung." Die Realität sei eben, dass man schon jetzt digital wesentlich mehr LeserInnen ereiche – und im Fall Aftonbladet online auch seit Jahren Gewinne macht –, als mit bedrucktem Papier.
Forscher haben vorhergesagt, dass angesichts der bisherigen Entwicklung im Printbereich in Schweden die letzte gedruckte Zeitung 2025 erscheinen werde. So langfristig mag Jan Helin nicht vorausschauen: "Was ich sagen kann ist, dass es wohl in fünf Jahren noch ein gedrucktes Aftonbladet geben wird. Aber es wird aber ganz anders aussehen: Der Fokus wird nicht mehr auf der Vermittlung der neuesten Nachrichten liegen."
Solche Veränderungen werden überlebenswichtig sein, meint der Medienanlytiker Olle Lidbom: "Wenn die Leute nicht kaufen, dann weil ihnen das Angebot ganz einfach das Geld nicht wert." Eine Zukunft sieht er für Printmedien, die den Schwerpunkt auf Analyse, die Vertiefung von Nachrichten und den investigativen Journalismus legen. Gedruckte Zeitungen eher als Ergänzung des Online-Angebots – nicht umgekehrt.
Leser*innenkommentare
the year 2025
Gast
Wenn die Rezession wieder nach Deutschland kommt, werden auf einen Schlag tausende Reporter entlassen. Springer kauft die Rosinen zu Peanuts-Preisen und setzt den Leistungs-Schutz und die Link-Steuer durch.
Daher auch das große Angebot an WAZ. So wie der Solar-König der Opel kaufen wollte.
Das ist taktische Positionierung ohne echte Absicht.
Die Schweden sind wenigstens so ehrbar, für die Zukunft vorzusorgen. Vermutlich sind sie sogar so schlau, das in den nächsten Jahren 250 Studienplätze für Reporter wegfallen weil die ja zu viel waren und die Produktions-Mengen (Absolventen pro Jahr) anpassen. In Deutschland hingegen sind arbeitslose Reporter Tradition oder sogar Folklore. Selber schuld.