Protestkultur: Der große Beschwichtiger

Bürgermeister Jens Böhrnsen hat sich gestern viel Kritik angehört - von Schülern und Personalräten. Seine Politik findet er alternativlos, die Schuldigen in Berlin.

Jens Böhrnsen kann geduldig zuhören. Er verspricht nichts. Bild: Jan Zier

Die Fronten sind verhärtet und die Gegner - da der SPD-Bürgermeister, dort die GewerkschafterInnen - stehen sich unversöhnlich gegenüber. Die Situation im Öffentliche Dienst wird zusehends dramatischer. Das zumindest versichern alle der rund 120 PersonalrätInnen, Frauen- und Schwerbehindertenbeauftragten, die sich am gestrigen Freitag im Gewerkschaftshaus versammelt haben. Und doch ist die Lage ruhig. Ohne Aggression. Die Angestellten und BeamtInnen hier sind keine Wutbürger. Und Jens Böhrnsen versichert ihnen, immer wieder, dass er einer der ihren ist, seit 1969 schon ist er bei verdi Mitglied.

"Es schäumt", sagt der Personalrat vom Amt für Soziale Dienste. Aber es ist ihm kaum anzumerken. Doris Hülsmeier, Gesamtpersonalrätin der Stadt Bremen redet gar einer "elementaren Bedrohung für die Demokratie" das Wort. Bleibt dabei ganz ruhig. Und am Ende, wie sie sagt, "hilflos" zurück.

Jens Böhrnsen, er hatte ihnen zwei Stunden geduldig zu-, ihre Kritik angehört. An sich abprallen lassen. Und nichts versprochen. Nur Sätze gesagt wie: "Ich sehe keine Alternative zu den Einsparungen". 800 Stellen werden bis 2015 im Öffentlichen Dienst gestrichen, so steht es im Koalitionsvertrag, 200 pro Jahr. Böhrnsen sagt, er sehe nicht, wie es anders zu machen wäre. Die Personalräte sind davon "enttäuscht", bekunden sie hernach in einer Pressererklärung. Doch ihre Ankündigung des "entscheidenden Widerstandes" darin - sie bleibt wolkig.

Später an diesem Tag wird Jens Böhrnsen viele seiner Sätze noch einmal sagen. Vor dem Rathaus demonstrieren SchülerInnen gegen die Kürzungen im Bildungsbereich. Innen drin empfängt der Bürgermeister eine Delegation aus dem Hermann-Böse-Gymnasium zu einer kurzen Audienz. "Alles wird schlechter", sagt Schulsprecher Philipp Postulka, im feinen Zwirn gewandet. "Es wird nur noch improvisiert." Die Kürzungen im Bildungshaushalt hätten "zu unwürdigen und inakzeptablen Arbeitsbedingungen für alle geführt", heißt es in einem offenen Brief. "Wir haben ein gemeinsames Interesse", sagt Jens Böhrnsen den SchülerInnen, und dass er als Schüler auch mal vor dem Rathaus demonstriert hat. Das ist lange her. "Es ist eine Qualität, das wir hier miteinander reden in Bremen", findet der SPD-Politiker. "Die Art und Weise ihrer Informationspolitik ist in keiner Weise hinnehmbar", schreiben die SchülerInnen in ihrem Brief an die Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD).

Und dann erinnern sie an einen Beschluss der Kultusministerkonferenz, das Budget für Bildung und Wissenschaft bis 2015 auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Bremen ist davon weit entfernt. Auch in diesen Bereichen müsse "ein bisschen gespart" werden, sagt Böhrnsen. Die SchülerInnen erinnern die an Wahlprogramme und -versprechen. Und finden, dass es schwer sei, die Politik von rot-grün nicht als "Wahlbetrug" zu verstehen. "Es ist ihr gutes Recht, dass so zu sehen", antwortet Böhrnsen.

"Die Situation ist, wie sie ist", erklärt er seinen KritikerInnen. "Wir müssen damit umgehen". Soll heißen: "Die in Berlin" sind im Grunde schuld an Bremens Misere. "Das ist das Kernproblem, das ich nicht lösen kann." Denn Bremen habe kein Ausgaben- sondern ein Einnahmeproblem, sagt Böhrnsen immer wieder. Und an letzteren könne Bremen wenig machen. Gut, da ist eine Bettensteuer, die gut zwei Millionen bringen soll - eine Summe, die Böhrnsen "übersichtlich" nennt. Auf den Einwand des Personalrates aus der Steuerverwaltung, der sagt: "Das Geld liegt auf der Straße. Man hindert uns, es aufzuheben" reagiert Böhrnsen nicht. 700 Millionen Euro müsse das Land an Zinsen aufbringen, jedes Jahr, und wenn nicht, ja: "Dann würden wir hier nur darüber reden, was wir alles besser machen werden". So wird nur der Schwarze Peter weiter verschoben. Jens Böhrnsen sagt: "Wir können nicht der Ausputzer für Kürzungen des Bundes sein". Und die Vertreter des Öffentlichen Dienstes sagen: "Wir können auch nicht der Ausputzer sein".

Am Ende hat der Bürgermeister seinen Bediensteten doch noch etwas mitgebracht. Die Jubiläumszuwendungen für den Öffentlichen Dienst soll doch nicht gestrichen werden. 150.000 Euro wäre so eingespart worden. Es wäre auch nicht mehr als ein Symbol gewesen, gibt Böhrnsen selbst zu. Und um mehr als Symbole geht es auch nicht, an diesem Tag.

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