Die Wahrheit: Dann doch lieber Österreich

"I want to sleep in the country that never awakes", wusste schon Frank Sinatra, der notorische Geysir der amerikanischen Islandbesingung. Denn schließlich...

...wird es da nie hell, und die Menschen tragen Zottelbärte und laufen auf Ziegenfüßen durch die Welt, die da sowieso zu Ende ist, wenn nicht sogar schon vorher. Und pleite sind sie auch. Frank Sinatra und ich haben gemeinsam, dass wir noch nie in Island waren, und deshalb halten wir beide die diesjährige Gastlandswahl der Frankfurter Buchmesse für einen kompletten Schmarrn.

Ich wäre für Österreich gewesen. Ja, das war schon mal, aber ist doch egal. Ich mag die Wiener Kaffeehauskultur. Wenn ich mich umsehe, ob mir dafür jemand einen Originalitätsorden verleihen möchte, guckt gerade wieder niemand her. Und so leide ich weiter an der ältesten Feuilletonistenkrankheit: Ich werde nicht wahrgenommen, jedenfalls nicht genug, ach geh!

Das ist im Wiener Kaffeehaus allerdings von Vorteil, denn man kann in Ruhe den Gesprächen am Nachbartisch folgen. So hörte ich vor ein paar Tagen einen Pensionär seinem Gegenüber die Theorie entwickeln, die regelmäßige Entfernung von Zahnstein habe einen negativen Einfluss auf den Hormonspiegel und mache letztlich impotent.

Ich freue mich immer, Verschwörungstheorien zu entdecken, die im Internet noch nicht vorkommen, aber nach diesem Artikel gründet sich ja vielleicht gleich eine neue Schule. Einen statistischen Zusammenhang kann man schließlich beweisen, jedenfalls dann, wenn man die Impotenten regelmäßig zur Zahnreinigung schickt.

Ein Kaffeehaus weiter sprach ein Mann in ähnlichem Alter bei Tee und Schnittlauchbrot erst über die große Politik in seinem Ministerium und dann darüber, wie fantastisch seine handgefertigten Wiener Schuhe für 800 Euro seien. Es war das Lieblingscafé von Thomas Bernhard, und ich ahnte plötzlich, worauf sich sein schiaches Menschenbild gründet. Der andere Mann am Tisch erwiderte ungerührt, er habe Schweißfüße, da lohne sich das nicht. Erstaunlich aufgeschlossen, diese Österreicher.

Als er ging, wollte ich ihm auf die Füße starren, um mich überlegen zu fühlen (zweitälteste Feuilletonistenkrankheit; also das Fühlen, nicht das Auffüßegucken), wurde aber hinterrücks von der Speisekarte abgelenkt. Sollte ich wirklich ein "Scherzl mit Dillfisolen" bestellen? Denn meine Wien-Leidenschaft ist oberflächlich (drittälteste Feuilletonistenkrankheit), und mit den Feinheiten der Sprache konnte ich mich in dreißig Jahren leider noch nicht befassen.

Als nächsten Gast der Buchmesse schlägt Frank Sinatra übrigens New York vor. Spannend! Fast wären wir uns einig geworden, doch besser würde mir ein anderes Gastland gefallen, über das man noch viel zu wenig weiß: "Sagenhaftes Hohne-Spechtshorn". Dort spielt das berühmte Märchen vom Schmarloh-Jasper, die Wurzel aller europäischen Literatur. Außerdem gibt es Kühe, Güllegeysire und Gummistiefel mit Ziegenschweißfüßen für 800 Euro im Ort. Und eine Feuilletonistin mit einem Wahrnehmungsproblem.

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kari

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