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App für "Occupy-Bewegung"Flüstern oder brüllen - immer anonym

Mit der App Vibe ist es möglich, anonym mit Menschen in seiner Umgebung zu chatten. In New York wird die Technik von der "Occupy Wall Street"-Bewegung genutzt.

Zweckentfremdet: Vibe. Bild: Screenshot zami.com

Der Trend in den Social Networks geht zum Klarnamenzwang: Egal ob bei Facebook oder dem aufstrebenden Konkurrenten Google+ – wer seinen "Real Name" nicht angeben möchte, fliegt meist raus.

Der neue Handy-Chat-Dienst Vibe ist anders: Die als iPhone-App gestaltete Technologie setzt von vornherein auf anonyme Kommunikation. Zu den ersten großräumigen Nutzern gehören folgerichtig Mitglieder der "Occupy Wall Street"-Bewegung in New York, die sich mit der Software untereinander abstimmen, ohne fürchten zu müssen, abgehört oder getrackt zu werden. Bei SMS oder Telefonaten wäre das hingegen leicht möglich.

Vibe ist kostenlos und dient der Ad-hoc-Vernetzung: Der Nutzer kann selbst festlegen, wer seine Botschaft empfangen kann und wie lange. Dabei macht sich der Service den GPS-Empfänger des iPhone zunutze. So ist einstellbar, wie weit eine Botschaft, die neben Text auch ein Foto oder ein Video sein kann, empfangbar sein soll: "Flüstern" sind 50 Meter, "Sprechen" 500, "Schreien" 50 Kilometer, "Brüllen" 500 Kilometer und "Grölen" die ganze Welt.

Praktisch ist auch, dass der Nutzer festlegen kann, wie lang seine Informationen von anderen Vibe-Nutzern lesbar sein sollen - von 15 Minuten über eine Stunde, einen Tag, 14 Tage bis hin zu einem ganzen Monat. So muss man sich keine Sorgen machen, dass später einmal unschön aufstoßende Online-Kommentare ewig im Netz stehen.

"Livestream für die Gedanken der Menschen"

Im Rahmen von "Occupy Wall Street" nutzen die User die Varianten "Flüstern" und "Sprechen", damit die Informationen nur innerhalb der Gruppe lesbar sind. Eine Registrierung ist für Vibe nicht notwendig: Jeder kann sofort schreiben und lesen. Ebenfalls praktisch ist eine Twitter-Anbindung: Wer möchte, kann "Gevibetes" auch twittern.

Entwickler Hazem Sayed, der Vibe mittlerweile auch als Android-App anbietet, freut sich über die vielen neuen Nutzer und war selbst schon in New York, um den Demonstranten die Software zu erklären. Eigentlich hatte er an einer Verwendung an Unis, bei Konzerten, Sportveranstaltungen oder bei Konferenzen gedacht - als anonymer "Back Channel", auf dem jeder seine Meinung sagen kann, ohne Repressalien fürchten zu müssen.

Die "Occupy Wall Street"-Aktivisten machen die hinzustoßenden Demonstranten mittlerweile mit Plakaten auf Vibe aufmerksam: "Der Livestream für die Gedanken der Menschen", heißt es darauf. "Bleibt in Verbindung und teilt Eure Erfahrungen mit anderen."

Drew Hornbein, der zum Internet-Gremium der New Yorker Aktivisten zählt, findet Vibe gut. "Sagen wir mal, jemand protestiert und andere vorne in der Kette sehen, dass die Cops beginnen, einen Kessel zu bilden. Dann kann man diesen Vibe rausschicken, der nur ein paar Minuten hält", so Hornbein gegenüber der Lokalzeitung New York Daily News.

Es wird nichts gespeichert

Die Technik erlaube nicht nur das Senden von Nachrichten in einem kleinen Kreis, sondern Botschaften verschwinden auch wieder. "Es wird nichts gespeichert, so dass der Absender nicht verfolgt werden kann."

Für die "Occupy Wall Street"-Aktivisten kommt die Technik gerade zur rechten Zeit. Wie in der letzten Woche bekannt wurde, hat sich ein Sicherheitsexperte in eine der Mailinglisten der Protestler eingeschleust und dann einige interessante Kommunikationsstränge, beispielsweise über aktuelle Ziele von Demonstrationen, an die Polizei und betroffene Unternehmen weitergeleitet.

Wirklich Wichtiges soll allerdings nicht darunter gewesen sein, denn sensible Informationen werden bei den Aktivisten traditionell "Face to Face" übermittelt, wie es in US-Medienberichten hieß. Auch bei Vibe könnten natürlich Polizei und Co. mithören. Durch die Anonymität und die Tatsache, dass Infos gleich wieder verschwinden, stört das die Demonstranten aber nicht.

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6 Kommentare

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  • K
    Kommunikator

    @Occupy Twitter

     

    Ich würde nicht so schnell die neuen "Spielzeuge der Konsumwelt" in die Tonne treten. Natürlich, stecken dahinter die Grosskonzerne, natürlich sind sie u.A. als leere Statushülsen und Hype-Simulakren im Gebrauch.

     

    Doch: ist es nicht heuchlerisch, sich darüber zu empören? Wenn man prinzipiell der globalen Wirtschaftswelt mit all ihren Konzernen ein Veto einlegen möchte - dann müsste man offline gehen, und zwar weit weg von allen möglichen urbanen Plätzen - dort wo man keine Angst hat, einer weiteren kapitalistischen Masche begegnen zu müssen. Sie empören sich über iPhone-Nutzung? Doch Sie gehen durch ihren Provider ins Netz, sie twittern bestimmt, benutzen ihren Rechner mit all ihren Programmen - und ich würde mich wundern, dass es sich dabei sämtlich um OpenSource und Creative Commons handelt.

     

    Die Lösung ist: kritischer Umgang mit neuen Medien und Werkzeugen der Kommunikation. Nicht wegwerfen und nicht als Statussymbol idolisieren, doch mit Sinn nutzen. Hinterfragen, doch "openminded" durch die Welt gehen. Es ist 21. Jahrhundert - und mit alten Mitteln ist nichts zu erreichen.

  • F
    freewillie

    @ Occupy Twitter

    Sie sagen es, kapitalistische Spielzeuge wie I-Phones oder ähnliches lassen diese Bewegung für mich schon seit langem unglaubwürdig aussehen. Wenn man nicht beim eigenen Konsum anfängt etwas zu verändern sollte man sich schämen Andere dafür verantwortlich zu machen was schief läuft. War zwar am Samstag in Frankfurt, aber schwer entäuschend wie wenig die verschiedenen Demonstranten zusammen passten.

  • D
    Didelda

    G+ hat ebenfalls gerade die Klarnamenpflicht aufgehoben.

     

    Mir gefällt der Ansatz sehr gut. Allerdings könnte die Funktion weltweit zu senden Probleme bereiten, falls es dafür keine entsprechenden Filtermöglichkeiten gibt.

     

    Man sollte aber doch nicht blind auf die Anonymität vertrauen. Wem gehört der Server bzw. wer bezahlt ihn? Welcher Traffic geht konkret vom Autoren ab? Ist er verschlüsselt...? Gerade in den USA arbeiten unzählige hervorragende Hacker für die Regierung. Wenn die wollen, können sie vermutlich alle Informationen bekommen.

     

    Bei "Face to Face" kann das Gegenüber auch ein Spitzel sein. Wird die gesamte Kommunikation inklusive Geodaten erfasst, gehen weit mehr Informationen an staatliche Stellen.

  • OT
    Occupy Twitter

    App, Twitter, Facebook, iPhone ... Ich kanns nicht mehr hören. Eine angeblich "antikapitalistische" Bewegung von Wohlstandskindern, die jetzt Angst um ihren Wohlstand haben, nachdem ihre Eltern jahrzehntelang über ihre Verhältnisse gelebt haben, macht sich abhängig von Werkzeugen, die genau dieser Kapitalismus hervorgebracht hat. Oder glaubt jemand ernsthaft, all diese Entwicklungen hätte es gegeben, wenn nicht ein Herr Zuckerberg die Motivation gehabt hätte, Millionen zu verdienen und Investmentbanker in der Hoffnung auf dicke Rendite nicht Millionen in die Produktentwicklung und den Ausbau der Plattformen gesteckt hätten. Welch eine Heuchelei!!

  • J
    Jan

    Achtung!

    "Anonym" sind die Dienste, die im Kontext von Internet und Smartphones so bezeichnet werden, in den seltensten Fällen. Auch bei Vibe wird vermutlich schon durch entsprechende Stellen mitgehört. Den Namen eines Iphone-Nutzers an Hand seines Netzwerkverkehrs zu ermitteln ist für staatliche Stellen ein leichtes.

  • H
    Huibuh

    Woher kommt denn die Mär, alle SNS (SocialNetworkSites) würden Klarnamen verlangen?

     

    Das ist nicht so. Nur bei G+.

     

    Facebook kommt prima ohne Klarnamen zurecht.