Eiskalt erwischt

MÜNSTER dpa/ap/taz ■ Kniehohe Schneewehen auf Autobahnen, umgeknickte Strommasten, Kerzenschein statt Strom: Ein Rekord-Schneesturm hat am Wochenende Teile Nordrhein-Westfalens und Niedersachsens in ein Winterchaos gestürzt.

Beim bisher folgenschwersten Stromausfall in Deutschland waren 250.000 Menschen in ihren Wohnungen viele Stunden lang ohne Strom. „Es ist nicht auszuschließen, dass sich der Stromausfall in einigen der 25 betroffenen Orte noch tagelang hinzieht“, sagte NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP).

Auf den Straßen kam es zu etwa 2.000 Unfällen mit rund 140 Verletzten. Auf vielen Straßen gab es Dauerstaus von Rekordlänge. Laut Wetterdienst Meteomedia gab es solche Schneemassen in der Region zuletzt vor mehr als 100 Jahren. Schuld war ein über den Beneluxstaaten festliegendes Tiefdruckgebiet.

Der Wintereinbruch verursachte Schäden in Millionenhöhe. Betroffen war vor allem das Münsterland. In den Kreisen Borken und Steinfurt wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Hier wie auch in anderen Regionen fielen binnen 24 Stunden etwa 30 bis 50 Zentimeter Schnee. Der Verkehr brach streckenweise völlig zusammen. Der Flughafen Düsseldorf musste stundenlang gesperrt werden.

Auch das Ruhrgebiet war von den Schneefällen stark betroffen. Die Verkehrsbetriebe in Essen stellten zeitweise den Betrieb ein.

Bei der Bahn ging vielfach nichts mehr. 216 Züge verspäteten sich um insgesamt knapp 117 Stunden, viele Strecken waren unpassierbar. Am Hauptbahnhof Münster nächtigten rund 50 Menschen in einem Luftschutzbunker, weil weder Züge noch Taxis verkehrten und die umliegenden Hotels ausgebucht waren. Züge kamen wegen umgestürzter Bäume nicht mehr voran. Die Fernverkehrszüge verspäteten sich im Durchschnitt um 90 Minuten.

Größte Herausforderung war am Sonntag die Reparatur des Stromnetzes. Die Stromleitungen hatten der Belastung durch die sturmgepeitschten „oberarmdicken Eispanzer“ nicht standgehalten. 50 Hochspannungsmasten im Münsterland waren eingeknickt oder nicht mehr funktionstüchtig.

In Altenheimen, Krankenhäusern und auf Bauernhöfen, deren Melkmaschinen auf Strom angewiesen sind, wurden 600 Notstromaggregate verteilt.

„So etwas kennt man sonst nur aus Filmen über Sibirien“, sagte ein Sprecher der Autobahnpolizei Wuppertal angesichts der bis zu einem Meter hohen Schneewehen auf der A 1. Die A 31 bei Gronau war 46 Stunden lang gesperrt. Auf den Autobahnen gab es am Samstag Staus von 60 Kilometer Länge.

Tausende Autofahrer mussten die Nacht zum Samstag in ihren Wagen verbringen. Lastwagenfahrer luden Frierende zum Aufwärmen in ihre geheizten Führerhäuser ein.

Der Wintereinbruch führte auch in England, Frankreich und den Niederlanden auf den Straßen zu chaotischen Verhältnissen. In Cornwall brach der Verkehr auf der Fernstraße A 30 für einige Stunden vollkommen zusammen. Wie auch in Deutschland beteiligten sich hier Soldaten an den Hilfsaktionen.

Im Süden und Osten der Niederlande fielen bis zu drei Zentimeter Schnee pro Stunde. Eisige Sturmböen fegten über das Land hinweg. Bäume stürzten um und blockierten Straßen und Bahnstrecken. Es kam zu hunderten Unfällen. Auch hier fiel in einigen Gegenden wegen beschädigter Leitungen der Strom aus.

Ähnliche Szenen auch in Frankreich: In der Bretagne blieben nach heftigen Schneefällen in der Nacht zum Samstag auf der Nationalstraße 12 in der Nähe von Rennes 170 Lastwagen stecken, wie die Behörden mitteilten. Helfer versorgten stecken gebliebene Fahrer mit Decken und Kaffee. Die Schweiz erlebte mit Temperaturen unter minus 20 Grad die bislang kälteste Nacht dieses Winters. TA