Italien-Krimi mit Senta Berger: Malerisch ist anderswo
An Bord eines italienischen Albtraums: Arte zeigt in "Unter Verdacht: Die elegante Lösung" von Aelrun Goette ein schwarz-weißes Weltbild.
Selten - falls überhaupt jemals - sind Italiener, "die Italiener", in einem deutschen Fernsehkrimi so schlecht weggekommen wie in diesem. Denn eigentlich war Italien, Bella Italia, doch immer unser Sehnsuchtsort numero uno. Auch auf der Mattscheibe.
Während die Binnensicht der Italiener - etwa in Damiano Damianis Fernsehserie "Allein gegen die Mafia" - Selbstkritik durchaus zuließ, saß deutschen Krimimachern während ihrer Italienischen Reise die rosarote Sonnenbrille fest auf der Nase. Sie haben uns etwa einen Commissario Brunetti beschert, dessen Venedig-Spaziergänge die Degeto dem Fremdenverkehrsbüro als Werbezeit hätte in Rechnung stellen können. (Dann wäre die auch gerade nicht so klamm.)
Und jetzt das: Halb verdurstete afrikanische Flüchtlinge liegen am Strand, wenige Meter entfernt die Touristen, es kümmert sie nicht. Bald schon kommen die Flüchtlinge hinter Gittern, werden verschifft nach Afrika. Ihr Retter verliert seine Fischereilizenz. Er hat die Arbeit der Küstenwache sabotiert. Die hatte das Flüchtlingsboot geentert, ein Leck reingeschlagen und sich davon gemacht. Ihr Chef ist ein aalglatter Lackaffe, "ein Mann von Berlusconis Gnaden".
Die "Unter Verdacht"-Krimis mit Senta Berger als Dr. Eva Maria Prohacek spielen normalerweise in München und Bayern. Dieser besondere Film nun spielt fast nur in Italien, in einem Küstenort, in dem jener Oberlackaffe seinen Dienstsitz hat. Malerisch ist anderswo. Ein deutscher Grenzschützer wurde an Bord des italienischen Küstenwachschiffes ermordet.
Die Italiener sind fies
Prohacek ermittelt, die Italiener können das bekanntlich nicht. Ihr Chef, Dr. Claus Reiter (Gerd Anthoff), der alte Amigo, legt ihr ausnahmsweise keine Steine in den Weg. Diesmal stört Prohacek seine Bahnen nicht, ermöglicht ihm gar, eine alte Rechnung zu begleichen. Reiter ist auch so ein Lackaffe, doch nach neun Jahren "Unter Verdacht" ist er einem ans Herz gewachsen.
Fies sind die Italiener. Die den Flüchtlingen Salzwasser zu trinken geben. Die bestochen werden wollen. Die also - fast - alle richtig schlecht wegkommen. Das fiel wohl auch den Machern um Regisseurin und Mitautorin Aelrun Goette auf, sie haben es bei der Auflösung des Mordes berücksichtigt. Nicht dass es diplomatische Protestnoten gibt, internationale Verwicklungen.
Apropos international, der Umgang des Films mit Sprache ist interessant. Die Schiffbrüchigen sprechen gebrochenes Englisch, werden untertitelt. Die Deutschen sprechen Deutsch, mehr oder weniger dialektfrei. Die Italiener, so sie irgendwie wichtig sind, sprechen auch alle Deutsch - akzentfrei wie Commissario Brunetti.
Aelrun Goette hat als Regisseurin von Spiel- wie Dokumentarfilmen wiederholt starke Frauenfiguren inszeniert. Ihr einziger "Tatort" war einer mit Lena Odenthal (Ulrike Folkerts). Auch mit der empathischen, unbestechlichen Prohacek dürfte es keine atmosphärischen Probleme gegeben haben. Prohacek wie Goette sehen die Dinge sehr klar: schwarz-weiß.
"Unter Verdacht: Die elegante Lösung": Heute, 20.15 Uhr, Arte
Leser*innenkommentare
vic
Gast
Habe ich gesehen, war wirklich gut. Doch um einen italienischen "Grenzschützer" zu nennen: "Wir machen hier nur die Drecksarbeit für euch".
Das ist sicher nicht falsch.
Nebenbei bemerkt:
Die realen "Grenzschützer" sind bekannt als "Frontex"
Jörn
Gast
Korruption ist im von der Mafia geprägten Italien sicher ein grosses Problem. Doch sollten Deutsche nicht zu selbstgerecht sein. Schliesslich gibt es in Italien unabhängige Staatsanwälte. Ein Berlusconi bräuchte in Deutschland keine Amnestiegesetze und hätte trotzdem nichts zu fürchten, da die Staatsanwaltschaften die Vorwürfe gezielt wegermitteln würden.
Verbrechen die in Deutschland von der Exekutive (z.B. Polizisten) oder Politikern verübt werden, werden in Deutschland kaum verfolgt. Eine politisch unabhängige Staatsanwaltschaft - wie sie es in Italien gibt - würde diese massive Strafvereitelung verhindern.