Künstler schlagen Bergleute

Regionalverband-Studie: Im Ruhrgebiet arbeiten heute mehr Menschen in der Kulturwirtschaft als im Bergbau

„Senioren sind überwiegend gut ausgebildet, haben ausreichendes Einkommen und sind an kulturellen Angeboten sehr interessiert.“

„Wandel durch Kultur - Kultur durch Wandel.“ Das Motto der Kulturhauptstadtbewerbung des Ruhrgebiets bekommt empirische Unterstützung. In der Region arbeiten inzwischen mehr Menschen in der Kulturwirtschaft als im Bergbau. Dies hat eine Studie ergeben, die der Regionalverband Ruhr (RVR) zusammen mit dem NRW-Wirtschaftsministerium erstellte hat und gestern in Essen vorstellte. Die Studie mache deutlich, dass die Kulturwirtschaft auch zu einer Veränderung der traditionellen Wirtschaftsstruktur und des Arbeitsmarkts beigetragen habe. „Der kulturelle Wandel hat eben auch eine materielle Seite“, sagt Jürgen Fischer vom RVR-Kulturhauptstadt-Bewerbungsbüro. Und er schaffe Arbeitsplätze, Das gäbe in Brüssel „Rückenwind“ für die Bewerbung. Erst im Frühjahr 2006 wird eine internationale Jury entscheiden, ob Essen für das Ruhrgebiet oder Görlitz den Zuschlag bekommt.

Da kann die Beweisführung eines Strukturwandels in der Region wichtig werden. 42.000 Menschen sind mittlerweile mit Kultur beschäftigt, dazu müssen noch rund 10.000 Kreative gezählt werden, die nebenberuflich in diesem Wirtschaftszweig arbeiten. In den Bergwerken des Reviers arbeiteten heute nur noch 39.000 Kumpel. Selbst im Vergleich mit der Stahlindustrie, die noch 57.000 Menschen im Ruhrgebiet beschäftige, sei der Markt der Kreativen sehr stark, heißt es in der Studie. In NRW erwirtschaftet er einen Jahresumsatz von rund 38 Milliarden Euro.

Zusätzlich wies Katharina Schwalm-Schäfer, Referatsleiterin für Kulturwirtschaft im NRW-Wirtschaftsministerium, auf die wachsende Bedeutung von Kultur in einer alternden Gesellschaft hin: „Die Senioren sind überwiegend gut ausgebildet mit ausreichendem Einkommen und an kulturellen Angeboten sehr interessiert“, sagte sie.

Auch das werde natürlich bei der Bewerbung berücksichtigt, erklärt Jürgen Fischer. Unter dem Programmpunkt „Stadt der Kulturen“ würden nicht nur die Besonderheiten der verschiedenen Migranten-Kulturen in der Region gewürdigt, sondern auch der demografische Wandel.

PETER ORTMANN