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"Stern" veröffentlicht GeheimprotokollUS-Agenten bei Polizistinnenmord?

Der "Stern" berichtet über ein unglaubliches Papier: Geheimdienstler sollen den Mord der Neonazis in Heilbronn beobachtet haben. Die Behörden wittern einen "Fake"

Beobachtet, oder nicht beobachtet? Fake oder kein Fake? Die Protokolle des "Sterns". Bild: dpa

BERLIN taz | Es ist entweder der größte Coup, den der Stern seit Langem landen konnte - oder aber die peinlichste Ente seit den gefälschten Hitler-Tagebüchern.

In seiner neuesten Ausgabe berichtet das Magazin von einem angeblichen Observationsprotokoll des US-Militärgeheimdienstes "Defense Intelligence Agency" (DIA) in Heilbronn. Stimmt der Bericht, nimmt der Fall der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) eine weitere, atemberaubende Wende.

Laut dem geheimen Protokoll, das der Stern als "augenscheinlich echt" bezeichnet, soll der Geheimdienst DIA im Rahmen einer Observation eines Islamisten zufällig Zeuge des Mordes an der Polizistin Michele Kiesewetter am 25. April 2007 geworden sein, den die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verübt haben sollen. Und nicht nur das: Laut Protokoll waren auch zwei deutsche Verfassungsschützer aus Bayern oder Baden-Württemberg Teil des Observationsteams und damit am Tatort. Im Protokoll heißt es: "2 OPS Ofc. Lfv BW OR BAVARIA".

Das Observationsteam habe an dem Tag einen Kontaktmann der Terroristen von der Sauerlandgruppe, Mevlüt K., und einen weiteren Verdächtigen beobachtet, weil dieser einen Millionenbetrag in einer Heilbronner Bankfiliale einzahlen wollte. Die Observation habe an der Theresienwiese geendet - weil es dort einen Schusswaffenvorfall gegeben habe, in den eine Polizeistreife, ein baden-württembergischer Beamter und Rechtsextremisten verwickelt gewesen sein sollen.

Gemeint sind die tödlichen Schüsse auf Kiesewetter. Wörtlich heißt es im Protokoll laut Stern: "SHOOTING INCIDENT INVOLVING BW OPS OFFICER WITH RIGHT WING OPERATIVES AND REGULAR POLICE PATROL".

Das aber würde bedeuten, dass ein US-Geheimdienst und ein baden-württembergischer Beamter schon vor vier Jahren gewusst hätten, dass Kiesewetter von Neonazis getötet wurde, und sie wissentlich eine jahrelange, pannenreiche Suche nach dem "Phantom von Heilbronn" ins Leere laufen ließen. Ein ungeheuerlicher Verdacht.

Rasch jedoch bestritt der baden-württembergische Verfassungsschutz, dass einer ihrer Beamten an einer Observation des DIA beteiligt war und Zeuge des Kiesewetter-Mordes wurde. Auch die Bayern und das Bundesamt für Verfassungsschutz dementierten. Behördenchef Heinz Fromm sagte in einer nichtöffentlichen Sitzung des Innenausschusses laut Teilnehmern, es sei allein merkwürdig, dass ein US-Geheimdienst nicht genau gewusst haben soll, ob die Agenten in seinem Observationsteam aus Bayern oder Baden-Württemberg kommen.

Generalbundesanwalt Harald Range sagte, er glaube, die Geschichte sei "ein Fake". Auch die US-Botschaft soll auf Nachfrage der Deutschen nichts von einem solchen Protokoll gewusst haben. Und BKA-Chef Jörg Ziercke sagte am Donnerstag, er habe noch nicht mal Hinweise, dass der angeblich observierte Mevlüt K. am Tattag überhaupt in Deutschland war.

Vieles an dieser Geschichte passt nicht zusammen. Doch sollte der Stern doch Recht haben, die Republik stünde Kopf.

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17 Kommentare

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  • C
    c.Renner

    Ich erinnere mich an einen Bericht über eienen Polizisten der, weil er "zu erfolgreich" bei der Bekämpfung von Rechtsextremisten im Osten war, zu seinem Diuenstherrn zitiert wurde, wo ihm gesagt wurde, man müsse ja nicht alles verfolgen, sprich man solle besser (wg. der "Statistiken") mal ein Auge zudrücken bei den Rechten. Weil der Beamte das nicht so akzeptiert hat, wurde er in den Streifendienst versetzt, mit Maulkorb. Da schließt sich der Kreis. Liebe TAZ macht doch endlich die Augen auf. Wir müssen aus unserer Geschichte lernen! Oder?

     

    http://www.youtube.com/watch?v=WqtgjLMSqHM

  • AB
    Anne Barre

    Augenscheinlich scheint sich in der BRD keiner aufzuregen, dass "fremde" Staaten mit Ihren Spitzeln in der angeblich souveränen BRD aktiv sind.

    Wahrscheinlich weil a) DIESER "fremde" Staat ( exakt die USA ) in der BRD "NICHT FREMD" ist, sondern sich auf eigenem Gebiet befindet und b) die BRD NICHT SOUVERÄN ist.

  • O
    Outsider

    Ich glaube ja auch nicht an die Geschichte. Merkwürdig ist aber das Dementi aus dem Innenministerium BW. Da wird nicht mitgeteilt, dass am 25.4.07 gar keine Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Heilbronn waren. Das zu erfahren ist doch die spannende Frage.

    In der Politik von BW scheint sich auf niemand über die Sache "aufzuregen". Das muss man sich mal vorstellen.

  • T
    Tomate

    PS. Wäre die Meldung ein Fake, dann wäre das für viele Politiker und Geheimdienstler sicher sehr bequem. Denn dadurch würden die vorhandenen stichhaltigen Spuren in den Staatsapparat ebenfalls an Glaubwürdigkeit und Medienwirksamkeit verlieren, und Medienleute würden es sich fortan zweimal überlegen, ob sie sich an neuen "Räuberpistolen" die Finger verbrennen wollen.

     

    Wie dem auch sei, es scheint ohnehin eine sehr durchdachte Medienstrategie zur Minimierung des PR-Schadens für den Staat zu geben. Darauf weist ja auch die Salamitaktik der allmählichen Veröffentlichung von Informationen hin - an die Öffentlichkeit gelangt nur alle paar Tage ein Tröpfchen Skandalinformation. Haben sich nicht schon einen Tag nach dem Bekanntgabe, die beiden toten Bankräuber seien die "Döner-Mörder", ein Haufen Unions-Minister und -"Bürgerrechtler" (wie Uhl der Bayer) untypisch besorgt gegeben und gleich von einem "möglichen Verfassungsschutz-Skandal" gesprochen? Warum, wenn nicht deshalb, weil sie all die prekären Aktenvermerke, die jetzt nach und nach an die Öffentlichkeit tröpfeln, schon von Anfang an in ihrer Gänze gekannt haben?

     

    Und tatsächlich ist das Thema mittlerweile auf die dritten Ränge der Berichterstattung abgerutscht.

     

    Ich will nur daran erinnern, dass ein oder gar zwei der Terroristen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit direkt auf der Gehaltsliste des BVS standen, ganz ohne Bemühung seltsamer Zufälle: Zschäpe (z. B. http://www.welt.de/politik/deutschland/article13741150/Wurde-Beate-Zschaepe-als-V-Frau-vom-Staat-gedeckt.html) und Mundlos (z. B. http://www.n-tv.de/politik/Range-tut-sich-schwer-article4857316.html?)

  • T
    Tomate

    "Die Observation habe an der Theresienwiese geendet - weil es dort einen Schusswaffenvorfall gegeben habe..." - Ich habe die Meldung des Stern-Magazins nicht so verstanden, dass sich das observierende Team rein zufällig am Schauplatz der Schießerei befunden habe, sondern in dem Sinn, dass ihre eigentliche Operation /unweit/ des Ortes des Polizistenmordes stattfand, und dass sie - so würde man denken - ihre Operation abbrechen und sich an diesen Schauplatz begeben mussten, um ihrem obskuren BVS-Kollegen zu Hilfe zu kommen.

  • N
    Nebelkerzen

    Scheint mir eher eine Nebelkerze zu sein, um von dem realen Skandal abzulenken, dass Beate Z. in den LKA-Akten als V-Frau vermerkt ist.

    Denn so unwissend kann auch der DIA nicht sein, dass er das Papier ausgerechnet an den Stern schickt, wo dessen Glaubwürdigkeit nicht so hoch ist.

    Abgesehen davon ist die Story, die der Stern dazu geschrieben hat, hanebüchend.

  • MJ
    Marcus Jänecke

    Das klingt leider alles ZU unstimmig. Meiner Meinung nach schlittert der Stern hiermit bloß in seinen nächsten und dann vielleicht auch letzten Super-GAU.

  • R
    reblek

    "US-Agenten bei Polizistinnenmord?" - Es wurde eine Polizistin ermordet, aus der im Titel "Polizistinnen" werden. Warum? Weil es auch "Kanzlerinnenamt" heißt, nicht wahr? Als ob es nicht das "Kanzlerinamt" wäre.

    "In seiner neuesten Ausgabe berichtet das Magazin von einem angeblichen Observationsprotokoll des US-Militärgeheimdienstes 'Defense Intelligence Agency' (DIA) in Heilbronn." - Kein Blatt, inkl. "stern" ist so blöde von einem "angeblichen" Protokoll zu schreiben, was bedeuten würde, das es in Wirklichkeit kein Protokoll ist.

    "Doch sollte der Stern doch Recht haben, die Republik stünde Kopf." - "Doch doch."

  • W
    Wahrsager

    Ich kann mir alles vorstellen. Wir bekommen vieles nicht, wieviel Morde im Namen des Staates oder im Namen des Gesetzes geschehen und gerade deshalb werden sie nie aufklären lassen. In der öffentlichkeit geben wir gegenüber Weltgemeinschaft wegen der deutsche Vergangenheit aus scharm demokratisch aber in der Wirklichkeit ist es aber nicht so.Gerade, weil der Staat selbe in die Gesichte der Nazis verwickelt ist, wieder aus scharm tut der Staat so als wollen sie die Morde wirklich aufklären. Am Ende läuft alles ins Leere.

  • V
    valeria

    Nur die "Germans" kapieren nicht, dass sie schon seit 1945 bis heute, und fuer die kommenden 100 Jahre ein von USA (56,000) und Britanien (12,000) besetzdes "Partnerland" sind! Sie hoeren nicht das kichern weltweit... - Da kannste ruhig weiter unter der Linde am Brunnen vor dem Tore schlafen: "Superman" von Langley/Virginia wacht ueber "Germany". In Deutschland operieren zumindest ein Dutzend der U.S. "Agencies". Die Nazibewegung ist "beneficial" fuer die U.S. Geostrategy: 1. Bei Bedarf kann damit Deutschland wieder auf seinen Platz zurueckgewiesen werden - als Nation welche noch nicht fit ist fuer zuviel "Unabhaengigkeit" und noch nicht einmal den Nazismus richtig ueberwunden hat. 2. Die Nazis sind praktisch als Stoeragenten gegen die Linke und die Muslime. It's a win-win situation!

  • V
    vic

    Vorstellbar ist das. Und das allein ist schrecklich genug.

    Man darf gespannt sein.

  • W
    Wutbürger

    Ein Islamist zahlt einen Millionenbetrag bei einer Bank ein und der Generalbundesanwalt weiß von nichts? Für wie blöd hält der eigentlich das dämliche Volk?

    Schon mal Wikipedia gelesen, Herr Range?

    http://de.wikipedia.or/wiki/Geldwäsche

    Ab "Überwachung von Konten und Transaktionen" wird es spannend.

    Natürlich wusste der davon! Das Gesetz ist zehn Jahre alt und wurde nach 9/11 extra wegen solcher Fälle geschaffen. Hier werden wieder mal die Leute sowas von verarscht, dass es nur so kracht. Und die taz fällt auch noch darauf rein.

  • R
    Rob

    Was ist aus dem Millionenbetrag geworden? Einzahlungen über 15.000 Euro werden von jeder Bank gemeldet (Geldwäsche). Solche Zahlungsvorgänge sind den Behörden immer bekannt. Weshalb muss man deshalb jemanden observieren? Wohl nur, weil das Geld eben nicht auf der Bank gelandet ist, sondern auf der Parkbank, wo es jemand anderes abgehoben hat. Und da kam unerwartet die Polizeistreife dazwischen. Da stinkt doch was nicht nur zum Himmel, sondern mindestens bis zum Mond!

  • H
    Holzauge

    Der Englische Satz bedeutet klar, dass der "BW OPS OFFICER" an der Schießerei BETEILIGT war. Wenn die Amis "zufällig Zeuge" waren, woher wussten die dann, dass es sich bei den an der Schießerei Beteiligten um rechte Aktivisten handelte? Hatten die ein Hakenkreuz auf der Stirn, das die Polizeistreife nicht gesehen hat?

    Entweder ist das die Ente des Jahrhunderts oder der Verfassungsschutz hat in Wahrheit die Polizistin erschossen. Das würde auch ein andere "Ungereimtheiten" erklären.

  • ML
    Manche lernen es nie

    Der Stern wieder. Mal sehen wann die Tagebücher der Terrorzelle auftauchen.

  • P
    Pulitzer (mittellos)

    Dann untersuche mal jemand den Brandanschlag auf die Synagoge/Heimatmuseum von Chania/Kreta Anfang 2010!

    Verdächtige - z.t. Festgenommene - waren 2 US Special Forces und zwei Marinetrainer der Briten, plus ein griechischer Auslieferfahrer, der alle 4 vom nahen Marinestützpunkt in Souda kannte.

    Damals hatte es insgesamt über 30 Anschläge in der Gegend gegeben und nachdem 3 Verdächtige dingfest gemacht und jeweils ein Ami und ein Brite auf dem Stützpunkt abgetaucht und außer Landes gebracht worden waren, "verschwand" der Fall aus der Presse.

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    "Sollte der Stern doch Recht haben, die Republik stünde Kopf"

     

    Diese Republik steht schon lange auf dem Kopf. Allen, die nachdenken können, ist mittlerweile klar: Die Neonazis wurden von den "Sicherheitsbehörden" mindestens geduldet, wahrscheinlich jedoch jedoch gehätschelt, und nachweislich - über V-Leute - finanziell ausgehalten. Es handelt sich also auch um einen Staats-Sumpf jenseits der Demokratie und diesseits von autoritären Regimen.

     

    D.h. die so genannten Sicherheitsbehörden haben selbst so viel Dreck am Stecken, dass sie in Deckung bleiben. Fakt ist weiter, dass diese "Sicherheitsbehörden" auf Geheiss "von ganz oben" aktiv oder je nach Lage passiv sind.

     

    Die konservativ-reaktionäre Merkel-Herrschaft und ihre Ableger in einigen Ländern, in Sonderheit Thüringen und Sachsen, sind extra-demokratische Veranstaltungen, die selbst hart am Rande zum Neofaschismus agieren.