piwik no script img

Südamerikanisches Bündnis "Celac"Gegen die Bevormundung des Südens

Mit der "Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten" entsteht in Caracas ein weiteres, eher lockeres Forum des Südens über ideologische Grenzen hinweg.

Erfolgreiche Politiker: Chiles Präsident Sebastian Pinera (l.) und Venezuelas Präsident Hugo Chavez. Bild: dapd

PORTO ALEGRE taz | Nun hat Hugo Chávez doch noch "sein" Gipfeltreffen bekommen: 30 von 33 geladenen Staatsoberhäuptern waren in Caracas, um die "Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten" (Celac) aus der Taufe zu heben.

Der Staatenbund symbolisiert vor allem das neue Selbstbewusstsein der Region gegenüber den USA, Kanada und Europa: "Damit Lateinamerika nicht mehr nach Washington gehen muss, um über sich selbst zu diskutieren", brachte es der ecuadorianische Präsident Rafael Correa auf den Punkt. Bei den jährlichen Iberoamerikagipfeln sind Spanien und Portugal dabei.

Eigentlich hätte Celac, deren Ursprünge auf ein Gipfeltreffen in Brasilien vor drei Jahren zurückgehen, schon im Juli gegründet werden sollen, doch wegen Chávez Krebserkrankung wurde daraus nichts. Nun zeigte sich Venezuelas Präsident nach fünfmonatiger Behandlung wortgewaltig wie früher und angeblich vollkommen genesen, sein Haupthaar sprießt wieder.

Mehr Rechte für die Schwachen

Für den Geopolitiker Chávez, der 2012 wiedergewählt werden will, war der Gipfel auch der krönende Abschluss des 200-jährigen Jubiläumsjahres von Venezuelas Unabhängigkeitserklärung gegenüber Spanien. Gerade in Zeiten der globalen Krise sei die Einheit der Region unverzichtbar, sagte er beschwörend. Das sehen viel seiner KollegInnen so. "Damit die Rechte der Schwachen Gewicht bekommen, muss man sich zusammentun", sagte Uruguays Präsident José Mujica, der in einer nachdenklichen Rede darauf hinwies, dass die Integration nur mit breiter Beteiligung von unten funktionieren werde: "Es wird nicht leicht sein, eine zweite Unabhängigkeit zu erringen".

Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff machte den Zusammenhang zwischen dem "Linksruck" des vergangenen Jahrzehnts und den jetzigen Integrationsbestrebungen deutlich. Nach der neoliberalen Ära der Neunzigerjahre sei es zur "großen Revolution im brasilianischen Denken" gekommen, der Einsicht, dass Entwicklung nur möglich sei, wenn die Ausgrenzung von Millionen beendet werde, sagte Rousseff. Eine ebenso wichtige "strategische Frage" sei es jedoch, "unseren Wohlstand zusammen mit allen Ländern der Region aufzubauen".

Als konkrete Initiative stellte sie die 2010 gegründete "Bundesuniversität zur Integration Lateinamerikas und der Karibik" in Foz do Iguaçu vor. In fünf Jahren sollen am Dreiländereck mit Argentinien und Paraguay 10.000 Studierende und 500 Dozenten aus dem Subkontinent wirken.

Nachbarn sollen zusammenhalten

Als die Brasilianerin das "neue Paradigma" eines "solidarischen Wachstums" beschwor, konnte sie sich einen Seitenhieb auf den derzeitigen Zustand der EU nicht verkneifen: "Die entwickelteren Volkswirtschaften unserer Region dürfen ihre Nachbarn weder aufsaugen noch herunterstufen oder bevormunden, wie wir es gerade in bislang ziemlich zivilisierten - oder sogenannten zivilisierten - Teilen der Welt sehen."

Noch einen Schritt weiter ging María Emma Mejía, die kolumbianische Generalsekretärin der ebenfalls jungen Südamerika-Union Unasur: "In Zeiten, in denen alles auseinanderfällt, zeigen wir gerade ein wenig, wie ein neues Modell aussehen könnte" - sozialer, friedlicher, ja ökologischer als anderswo.

Im Gegensatz zu Unasur, wo bereits an gemeinsamen Verteidigungsstrukturen gebastelt oder über eine gemeinsame Währung nachgedacht wird, ist die Celac eher ein lockeres Forum zur gegenseitigen Verständigung über das gesamte ideologische Spektrum hinweg. Gastgeber des Gipfels 2012 wird der chilenische Neoliberale Sebastián Piñera, 2013 trifft man sich auf Kuba. Auch mit der US-dominierten Organisation Amerikanischer Staaten, bei der Kuba nicht mitmachen darf, zeichnet sich eine friedliche Koexistenz ab.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!