piwik no script img

Skandinavien nach dem Euro-GipfelIm Norden knarrt's

Nicht nur in Großbritannien stoßen die Beschlüsse des Eurogipfels auf Widerstand: Schweden sagt Nein, Dänemark nicht Ja und selbst das Euroland Finnland will nachverhandeln.

Dementiert eine mögliche Zustimmung:die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt Bild: reuters

STOCKHOLM taz | Schweden wird sich wohl ähnlich wie Großbritannien nicht am Finanzpakt der EU beteiligen. Das sagte Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt nach dem EU-Gipfel am Freitag: "Es geht um eine Vertiefung der Zusammenarbeit der Euroländer", da müsse Schweden als Nicht-Euroland nicht dabei sein. "Anders wäre es gewesen, wenn sich alle 27 Länder geeinigt hätten."

Finanzminister Anders Borg sagte, man habe sowieso eine strammere Budgetdisziplin als die Euroländer. Tatsächlich hat Schweden mit die stabilsten öffentlichen Finanzen in Europa und zahlt die niedrigsten Zinsen für Staatsanleihen innerhalb der EU. Nur bei einer "breiten blocküberschreitenden politischen Einigkeit" könnte sich Schweden trotzdem dem Pakt anschließen, erklärte Borg.

Aber die gibt es im schwedischen Parlament, wo die Regierung Reinfeldt nur über eine Minderheit der Stimmen verfügt, nicht. Alle vier Oppositionsparteien - Sozialdemokraten, Linke, Grüne und Schwedendemokraten - lehnen eine Beteiligung wegen der eventuell damit verbundenen Budgetkontrolle durch Brüssel ab.

Auch in Kopenhagen hat man noch nicht entschieden. Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt dementierte die Erklärung des EU-Vorsitzenden Herman Van Rompuy, auch Dänemark sei mit im Boot: "Es ist doch klar, dass wir erst im Parlament diskutieren müssen."

Außenminister Villy Søvndal, der Vorsitzender der Linkssozialisten ist, erklärte, die Bestimmungen des Pakts könnten mit dem Konjunkturprogramm der Regierung in Konflikt stehen. Selbst für den Fall einer Parlamentsmehrheit wäre laut Verfassung eine Volksabstimmung zwingend, wenn das Land Souveränität abgibt.

Auch in Skandinaviens einzigem Euroland Finnland gibt es Probleme. Laut Gipfelbeschluss soll eine 85-prozentige Mehrheit in der Eurozone reichen, um einen Beschluss zum Rettungsmechanismus ESM zu fassen. Das ist mit der Verfassung nicht vereinbar. Die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung dürfte schon wegen der EU-skeptischen Parteien "Wahre Finnen" und "Zentrum", aber auch wegen Widerstand in den Regierungsparteien nicht zu erreichen sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • D
    drubi

    Die exzessive Staatsverschuldung in einigen Ländern zeigt, dass die demokratisch gewählten Politiker gelegentlich recht verantowrtungslos handeln. Sie können es sich leisten, weil in Demokratien im allgemeinen keine Sanktionen gegen gewählte Politiker vorgesehen sind, obwohl diese nicht selten gegen besseres Wissen bzw. in klarer Kenntnis ihres mangelnden Verständnisses der Zusammenhänge beliebig großen Schaden für die Allgemeinheit in Kauf zu nehmen bereit sind. So betrachtet macht der EU-Giplfelbeschluss durchaus Sinn.

    Allerdings haben nicht alle Länder hemmungslos über ihre Verhältnisse gewirtschaftet. Die nun vorgesehenen Konsequenzen werden daher auch jene treffen, die aufgrund wirtschaftlicher Parameter vorübergehend eine höhere Verschuldung in Kauf nehmen könnten. Die Politik legt sich also selbst Fesseln an, z.T. mit der Begründung, damit die Finanzmärkte besser in den Griff zu bekommen. Diese Logik ist Schwachsinn und ist lediglich eine Umformulierung der Tatsache, dass man die Finanzwirtschaft gar nicht wirklich für die Lösung der Krise in die Pflicht nehmen will. Die Politik beschneidet ihre von Souverän erteilte Macht und Rechte, um sie der Finanzwirtschaft, die noch vor einiger Zeit über Rekordgewinne und Rekordboni gejubelt hat, zu überlassen. Hier läuft etwas fundamental schief. Hoffentlich glaubt kein Politiker, dass ich ihm abnehme, dass er durch Wahl hierfür ein politisches Mandat habe. Von mir mit Sicherheit nicht und von anderen, das wage ich sehr zu bezweifeln. Und wenn er noch so viel Jura tudiert und Doktortitel angehäuft haben mag.

  • H
    Hans

    Mir gefällt der Bericht, denn er widerlegt, was wohl noch heute Morgen in den Nachrichten als Tatsache(n) dargestellt wurden. Wahrscheinlich werden wir morgen noch mehr Dementis und neue Positionen aus der EU vernehmen. Ich habe sowieso den Eindruck, dass diese Brüsseler Runden gar nicht für solche tiefen Entscheidungen ausgelegt sind = Ergo = Die Teilnehmer verstehen gar nicht, welche Konsequenzen es für ihre Regierungen und ihre Staaten hat.

     

    Die Schuldenbremse ist m.M. sowieso die sinnloseste Erfindung seit Jahren. Wenn der Staat nicht genug einnimmt, um seine Ausgaben zu bestreiten, dann sind die Steuern offenbar zu niedrig, bzw. es wird falsch besteuert.

     

    BEISPIEL: Nach dem 2. Weltkrieg haben die Regierungen die Kosten für dieses Megaereignis noch ohne Skrupel vom Bürger eingefordert. Protest gab es damals nicht, wahrscheinlich verstanden die Menschen, warum hart besteuert wurde. Heute wehrt sich zwar in den meisten Ländern nur eine kleine Gruppe von Besitzenden gegen höhere Steuern, aber die haben es wohl intus, sprich die wehren sich besser als jede andere organisierte Interessensgruppe. Wennigstens kapieren ein paar Regierungen in Skandinavien, was sie nicht unterschreiben sollten.