Nachruf Johannes Heesters: Mit Charme und Scham
Johannes Heesters wollte geliebt werden: in seinen Bühnen- und Filmrollen ebenso wie als Figur des öffentlichen Lebens. Es war ein andauernder Flirt mit dem Publikum.
Im Jahr 2004, Johannes Heesters war 101 Jahre alt, setzte ihm Christoph Schlingensief in seiner Inszenierung "Kunst & Gemüse" ein ganz spezielles Denkmal. Ein weißhaariger Heesters- Lookalike geisterte durch die Inszenierung mit dem Satz "Ach, das ist alles so lange her, ich kann mich gar nicht mehr erinnern."
Und jeder wusste, was gemeint war. Weniger die Unfähigkeit, sich zu erinnern, als vielmehr Johannes Heesters notorische Unlust, die Zeit des Nationalsozialismus und seine Karriere in den Ufa-Unterhaltungsfilmen damals kritisch zu reflektieren.
Am 24. Dezember starb der Schauspieler im Klinikum Starnberg im Alter von 108 Jahren. Muss man einen Nachruf auf den Entertainer gerade mit seiner schlechtesten Seite beginnen? Ja, vermutlich deshalb, weil sich die Geister seiner Fans und seiner Verächter genau an dieser Frage schieden.
Seine zweite Karriere in der Nachkriegszeit, als er wieder Operettenfilme drehte, wieder den charmanten Verführer gab, schloss so verdächtig bruchlos an seine Erfolge aus den dreißiger Jahren an. Sie suggerierten in den Wirtschaftswunderjahren, es könnte ein Kontinuum der guten deutschen Unterhaltungskunst geben. Und Heesters war einer der strahlendsten Sterne in diesem imaginären Raum.
In Amersfoort, in den Niederlanden, war Heesters geboren, in Wien begann er 1934 als Operettentenor. Seit 1992 war er mit der Schauspielerin Simone Rethel verheiratet, 46 Jahre jünger als er. Er wollte geliebt werden, na klar: in seinen Bühnen- und Filmrollen ebenso wie als Figur des öffentlichen Lebens.
Das machte ihn anfällig, auch für jede Vereinnahmung seitens des Boulevards. Zu seinem 100. Geburtstag war ihm ein eigenes Musical geschrieben worden, der Stolz, noch immer da zu sein, gab seinen Auftritten und dem andauernden Flirt mit dem Publikum eine skurrile Grundierung.
Leser*innenkommentare
Wolfgang Banse
Gast
Charmeur Johannes Heesters lebt nicht mehr
Johannes heesters,Niederländischer Charmeur,Ufa Star dessen Herz hat mit 108 Jahren aufgehört zu schlagen.
Bis ins hohe Alter gönnte er sich keine Ruhe,trat auf und begeisterte das Publikum.
mit dem Tod von Johannes Heesters ist die Welt ärmer geworden.nicht nur was die kulturelle Szene betrifft.
Don Miguel
Gast
Nur so ein Gedanke...
Heesters wird u. a. vorgeworfen, vor SS-Wachleuten im KZ Dachau ein Lied gesungen zu haben. Er hat das bis zu seinem Tod dementiert; die Beweislage ist eher dürftig...
Mittlerweile wissen wir, dass einige unserer (Linken-)Ikonen Mitglieder der SS, einige sogar der Waffen-SS waren.
Niemand hat Jopi bisher ernsthaft vorgeworfen, Menschen denunziert oder gar ausgeliefert zu haben. Er war weder in der Nazi-Partei noch in einer Nazi-Organisation Mitglied.
Ein Gedanke, der mich nicht mehr loslässt, ist dieser:
Wir sehen heute, was einige C- und D-Promis alles auf sich nehmen, um wenigstens einmal wieder vor eine Kamera zu kommen; wen sie alles verleumden, um einmal wieder in der Öffentlichkeit zu stehen; welche Schlammschlachten sie entfesseln, um einmal wieder in der BILD-Zeitung zu stehen.
Wie charakterfest wären diese Menschen denn in einer Diktatur, in der es die Chance gäbe, dauerhaften Erfolg auf dem Rücken anderer (Juden, Homosexuelle, Regimegegner, Migranten oder was auch sonst immer den Machthabern unbequemen Menschen) zu erreichen?
Jopi hat niemanden denunziert, wie würde das ein Herr Pocher (um nur einen zu nennen) damkit halten?
vic
Gast
Ich bin nicht der Meinung, dass Alter als solches ein Verdienst ist.
Nun gut. Ich denke, mit 108 Jahren war Heesters recht gut bedient.
Irgendwann musste das ja enden, warum also nicht jetzt?
Außerdem hat der Chef doch schon eine neue Version gesandt, habt ihr den Schweif nicht gesehen?
Vielleicht war das auch nur ein Test für Ostern.