„Der Bart fehlt nie“

Vortrag über die Bedeutung des Hitlerbartes

■ 47, ist Juniorprofessor für Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.Foto: Kissel/ Herrmann

taz: Herr Tietjen, welche Rolle spielte der Hitlerbart in der Bildpolitik der NSDAP?

Friedrich Tietjen: Meine These wäre, dass er ein Gegenstück zum Hakenkreuz ist in seiner Eindeutigkeit und Erkennbarkeit. Hitler betätigt sich in „Mein Kampf“ als Zeichentheoretiker und beschreibt genau, warum das Hakenkreuz so aussieht, wie es aussieht. Die NSDAP war als Führerpartei aufgebaut, das heißt: Hitler war die wichtigste Person. Das sieht man auch in der Herstellung von Visualität. Für Hitler ist dieser Bart absolut signifikant. Wenn man sich die Hitler-Karikaturen anschaut, dann fehlt dieser Bart nie.

Ab wann hatte er den Bart?

Das ist nicht genau festzustellen. Hitler hatte während des ersten Weltkrieges einen Schnurrbart. Von 1919 bis 1923 gibt es praktisch keine Fotos von Hitler – nur ein paar, auf denen man ihn nicht richtig erkennen kann.

Hat Hitler den Bart erfunden?

Nein. Den Zweifingerbart gibt es als Modeerscheinung schon vor Hitler. Charlie Chaplin hatte ihn spätestens ab 1914. Aber der Bart war in dieser Zeit nicht besonders häufig. Es war für Hitler schon so eine Art Alleinstellungsmerkmal.

Wie interpretieren Sie die Tatsache, dass der Hitlerbart während der Nazi-Diktatur von so vielen Männern in Deutschland getragen wurde?

Es ging um die Verdopplung des Führer-Körpers. Hitlers Anhänger eigneten sich von Hitler das körperlich an, was verfügbar war – nämlich diesen Bart. Aber die Stirnlocke wurde nicht übernommen.

Warum?

Vermutlich, weil man den Führer nicht imitieren durfte. Man durfte nur ein Zeichen adaptieren.  INTERVIEW: KLI

Vortrag „Führerbart und Volkskörper“: Sonntag, 20 Uhr, Golem, Große Elbstraße 14