piwik no script img

Diätenerhöhung im NRW-LandtagGeplatztes Weihnachtsgeschenk

Im Landtag von NRW will eine ganz große Koalition aus SPD, CDU und Grünen die Diäten erhöhen. Doch die Bürger sind wütend bei vier Milliarden Euro Neuverschuldung.

NRW-Landtag: Mit einer Expertenanhörung geht der Diätenstreit im Januar in die nächste Runde. Bild: dpa

DÜSSELDORF taz | Die Protestmails, die der nordrhein-westfälische Bund der Steuerzahler auf seiner Homepage genüsslich präsentiert, sind deutlich: "Schämen" sollten sich die Abgeordneten, "eine Frechheit" sei die Diätenerhöhung, an der der Ältestenrat des Landtags seit Monaten werkelt.

"Unmoralisch" finden viele der 6.000 Bürger, die ein Protestschreiben heruntergeladen haben, den geplanten Griff in die Landeskasse - angesichts von 4 Milliarden Euro Neuverschuldung: "Die Quittung kommt bei den nächsten Wahlen", droht einer.

Wütend macht die Bürger die Unzufriedenheit der Abgeordneten mit ihrer Altersversorgung. Zwar hatte das Landesparlament die Überversorgung seiner Exmitglieder schon 2005 reduziert: Pensionen fließen seitdem erst ab dem 65. Lebensjahr - zuvor wurden Abgeordnete schon mit 55 "versorgt". Doch im Gegenzug genehmigten sich die Politiker eine Verdoppelung ihrer Bezüge: Derzeit erhalten Landtagsmitglieder pro Monat 10.226 Euro - kein anderes Landesparlament zahlt fünfstellige Diäten. Allerdings müssen die Politiker ihr Einkommen voll versteuern und davon auch etwa Kosten für ihre Wahlkreisbüros tragen.

Außerdem fließen derzeit 1.614 Euro monatlich in ein privatwirtschaftlich organisiertes Versorgungswerk. Zu wenig sei das, findet eine ganz große Koalition aus SPD, CDU und Grünen - und will die Einzahlungen auf monatlich 2.114 Euro erhöhen. Dies diene der "Freiheit und Unabhängigkeit" der Abgeordneten, argumentiert etwa die Grüne Sigrid Beer.

Die CDU wird noch deutlicher: Das Versorgungswerk des Parlaments müsse "zukunftssicher gemacht" werden. Im Klartext heißt das: Die Christdemokraten fürchten sinkende Pensionen. Denn gesunken ist auch die Zahl der Einzahler in die Politikerkasse: Im Düsseldorfer Landtag sind nicht mehr 231 wie 2005, sondern aktuell noch 181 Abgeordnete vertreten. Außerdem sorgt die Eurokrise auch im Politikerversorgungswerk für schrumpfende Verzinsung.

"Arg entrückt" seien die Maßstäbe der Landespolitiker, kritisiert dagegen der Sozialexperte des Steuerzahlerbunds, Rik Steinheuer: Nach zehn Jahren im Landtag erhalte ein Politiker aktuell dafür eine Pension von etwa 1.250 Euro. Ein Durchschnittsverdiener erwerbe in dieser Zeit nur einen Rentenanspruch von 275 Euro. Die Parlamentarier versuchten, "sich von der Lebenswirklichkeit der Bevölkerung abzukoppeln", findet der Chef des Steuerzahlerbundes, Heinz Wirz.

Auf Distanz geht nicht nur die Linkspartei: Auch die FDP hat sich dem Versuch, die Diätenerhöhung noch vor der Winterpause zu verabschieden, verweigert. FDP-Fraktionschef Gerhard Papke sprach von einer Nacht-und-Nebel-Aktion - und musste sich prompt ein Protokoll vorhalten lassen, in dem sein eigener Parlamentarischer Geschäftsführer die Erhöhung forderte, aber als Barauszahlung. Mit einer Expertenanhörung geht der Diätenstreit im Januar in die nächste Runde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

14 Kommentare

 / 
  • W
    Willkür

    NRW hat eine Minderheitsregierung! Liebe Abgeordnete der Linken und der FDP-,denkt das nächste mal daran, wenn Hannelore Kraft eure Stimmen braucht!!! Vor allen Dingen-ihr verarschten Bürger-denkt bei der nächsten Landtagswahl an euren Verzicht und an die Gier der Politiker.Gebt den Linken mal einen anständigen Schuss an Wählerstimmen. Von der Selbstbereicherungs-Politik, müsste das Volk doch allmählich die Schnauze voll haben. "Wenn das Volk nicht will, stehen alle Räder still!" Willkür der Politik braucht keiner mitzumachen!

  • HB
    Harald Bramstedt

    Ein politisches Amt, wie das der Abgeordneten, ist soweit ich mich erinnere, auch immer noch ein Stück weit ein Ehrenamt, wenn auch kein unentgeltliches.

    Deshalb werden die Abgeordneten natürlich auch nicht so vergütet, wie z.B. Manager in der Wirtschaft.

    Allerdings haben viele unserer "Volksvertreter" auch keine vergleichbare Ausbildung, was über ihre Qualität freilich noch nicht unbedingt etwas aussagen muss.

    Andererseits haben aber viele von ihnen noch recht lukrative Nebeneinkünfte, die immer wieder gerne vergessen werden. Die vielen Menschen, die ehrenamtlich tätig sind und dabei manchmal ihr Leben und ihre Gesundheit gefährden, wie z.B. bei den freiwilligen Feuerwehren, bekommen dafür keinen Cent, sondern bringen oft noch Geld mit.

    Und häufig haben die Abgeordneten Pensions- oder Rentenansprüche aus einer zuvor ausgeübten Berufstätigkeit, in die sie oft auch zurückkehren, falls sie nicht wieder gewählt werden. Darben muss also keiner von denen!

    Auf jeden Fall finde ich es zutiefst unanständig und beschämend, wenn die, die anderen(so etwa Landesbeamten, wie z.B. den Polizisten) das Weihnachtsgeld kürzen, weil das Land sich das nicht mehr leisten kann; sich dann aber selbst einen kräftigen Schluck aus der Pulle gönnen.

    500.- Euro monatlich sind ja kein Pappenstiel und deutlich mehr, als mancher in diesem Land zum Leben hat.

    Ebenso unanständig ist es, wenn gerade die Abgeorneten von SPD und Grünen, deren Parteien mit dem Bechluss zur Rente mit 67 faktisch massive Rentenkürzungen beschlossen haben, für sich selbst für 10 Jahre Zugehörigkeit zum Landtag Versorgungsansprüche einrichten, die sehr viele Arbeitnehmer nicht mal nach einem ganzen Arbeitsleben erreichen.

    Diese Art der Selbstversorgung und -bedineung ist widerlich! Leider aber inzwischen offenbar auch bei SPD und Grünen inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden. Über Politikverdrossenheit darf sich von diesen Herschaften dann nun wirklich niemand mehr wundern.

  • H
    Hasso

    Diesen Volksbescheißern gehört ein Tritt in den Arsch!Abwählen!

  • L
    lupo

    Lieber Hans Höfer,

     

    aber es sind die Politiker, die die Macht hätten, den Geldbesitzern, Banken- und Hedgefondsmangagern etc. pp. die von Ihnen genannten Machenschaften und die, die darüber hinaus gehen, zu verbieten. Tun sie aber nicht. Und deshalb machen sie ihren Job so schlecht, dass sie noch nicht mal das verdient, was sie zur Zeit an Bezügen erhalten. Hinzu rechnen muss mensch dann noch die grotesk hohen Entlohnungen für irgendwelche Reden außerhalb des Parlamentes, geschenkte Urlaubsreisen und sonstige Vergünstigungen und Zuwendungen von anderen Geldsäcken, Lobbygruppen oder Wirtschaftsunternehmen. Ich glaube, dass die Abgeordneten der etablierten Parteien davon dann ganz fürstlich leben können. Auch in der Vergangenheit hat sich einzig die LINKE in diversen Parlamenten immer wieder gegen weitere Erhöhungen der Bezüge ausgesprochen. Das ist anständig. Und passt auch zum Anfang meines Beitrages, denn die LINKE fordert ja auch seit eh und je die von Ihnen zu Recht angeprangerten Vorgehensweisen der Geldbesitzer, Banken- und Hedgefondmanager, etc. drastisch zu Gunsten der Allgemeinheit zu beschneiden.

    Mir gefällt der Vorschlag von Branko ;-)

  • V
    vic

    Tja, Hans Höfer

     

    und tun die genannten, obwohl die Abgeordetendiäten doch sicherstellen sollten, dass unsere Abgeordneten "frei und unabhängig entscheiden" können und nicht wegsehen müssen.

    Irgendwas scheint da schiefzugehen.

    Vielleicht wär`s mit höheren Diäten besser gelaufen.

  • OA
    o aus h

    Der Steuerzahlerbund vergleicht die Politiker-Pensionen mit den Renten der Durchschnittsverdiener. Ist es aber nicht so, dass die Politiker-Diäten über dem Durchschnittseinkommen liegen? Sollte man dann nicht die Pensionen besser mit den Rentenansprüchen eines entsprechend gut verdienenden Arbeitnehmers vergleichen? Ich finde ja, und würde mich über die Nachrecherche der taz-Redaktion freuen!

  • W
    wauz

    hallo taz, Aufwachen!

     

     

    Wer, bitte, ist der Steuerzahlerbund? Recherchieren hilft!

     

    Jede Diätenerhöhung hat automatisch den Ruch der Selbstbedienung, weil nur das Parlament selbst seine Bezüge beschließen kann. Aber mal genau gerechnet: richtig großen Anteil am Landeshaushalt hat der Landtag nicht. Daher ist das Geschrei der Steuerverweigerer Klappern in eigener Sache. Wer weiß, wer der Steuerzahlerbund ist, kann das gut einschätzen.

    Ob die Diäten so richtig hoch sind, wenn man damit die Kosten der Amtsführung mit abdecken muss, wage ich in Zweifel zu ziehen.

    Interessanter ist schon die Frage, warum die Abgeordneten ein eigenes Versorgungswerk brauchen. Solche Pensionskassen sind beim Finanzkapital sehr beliebt, weil sie das "stupid money" erzeugen, das für seine Spielchen benötigt wird. Mein früherer Zahnarzt ist so seine Ersparnisse losgeworden. Versorgungswerk hat sich verzockt und pffft! ging ein Großteil der Ansprüche in Rauch auf.

     

    DRV für alle ist besser!

  • GK
    Gerd Kaufmann

    10.000 Euro brutto hört sich zunächst gut an. Wenn dann aber noch Steuern u. etliche andere Unkosten angehen, finde ich das Netto-Einkommen nicht zu hoch. Vielfach handelt es sich um MdL mit Hochschulbildung, die in der Wirtschaft sicher nicht weniger, eher mehr verdienen würden.

     

    Ich schaue Politikern gerne kritisch auf die Finger, aber in diesem Fall ist Kritik nicht berechtigt.

  • B
    Branko

    Also mein Vorschlag wäre ja, die Diäten aller Parlamentarier, auch und vor allem auf Bundesebene, direkt und fix an das Durchschnittseinkommen der unteren 60% aller Bürger zu koppeln - inklu. Renten, Arbeitslosen- und Sozialhilfegeldern, logisch.

     

    Wetten, daß das quasi über Nacht zu mehr sozialer Gerechtigkeit und mehr Konjukntur im Land führen würde?

  • S
    Sauerbraten80

    10.000 Euro minus Steuern minus 1.500 Euro Beitrag zur Abgeordneten-Altersvorsorge minus Wahlkreis-Büro minus Eigenanteil für Übernachtungsmöglichkeit in Düsseldorf ...das ist ein ordentliches, aber nicht gerade königliches Gehalt. Ich verstehe die Aufregung nicht.

  • V
    vic

    Wir müssen also die "Freiheit und Unabhängigkeit" unserer Abgeordteten kaufen.

    Wir haben die Wahl- tun wir`s nicht, tun`s andere.

    Gieriges Pack!

  • M
    Marvin

    "Auf Distanz geht nicht nur dir Linkspartei."

     

    Die Linke ist (leider!) die einzige Fraktion im NRW-Landtag, die sich gegen die Erhöhung ausgesprochen hat.

    Wenn einzelne FDP'ler von einer "Nacht- und Nebelaktion" sprechen, dann gehen sie "auf Distanz" zur Abstimmung im Schnellverfahren, eben nicht auf Distanz zur Erhöhung.

     

    Diese beiden sehr unterschiedlichen Haltungen erstmal quasi gleichzusetzen (beide "gehen auf Distanz" - auch wenn dies natürlich durch den letzten Satz des Artikels relativiert wird), finde ich schade.

  • A
    axel

    Einiges mehr an Informationen zu der ablehnenden Position der Linken und ihren Gegenvorschlägen finden die Leserin und der Leser zwar nicht in der taz, dafür aber auf der Homepage der Linken NRW, z.B.:

     

    "Wir lassen uns Fragen in der Diäten-Anhörung nicht vorschreiben!" Linksfraktion NRW vom 14.12.2011

     

    http://www.dielinke-nrw.de/start/aktuelles/detailansicht_der_news/zurueck/aktuelles/artikel/wir-lassen-uns-unsere-fragen-in-der-diaeten-anhoerung-nicht-vorschreiben/

     

    "Zur Auseinandersetzung um die Diätenerhöhung im Landtag NRW"

    Erklärung von Katharina Schwabedissen und Hubertus Zdebel, LandessprecherInnen DIE LINKE. NRW zur Auseinandersetzung um die Diätenerhöhung im Landtag NRW vom 09.12.2011

     

    http://www.dielinke-nrw.de/index.php?id=3629&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=24146&tx_ttnews[backPid]=3627

  • HH
    Hans Höfer

    Mir geht es gehörig auf den Zeiger, daß Steuerzahlerbund und andere Populisten auf die Politiker (wegen relativ geringer Beträge) mit Fingern zeigen, aber auf die Geldbesitzer und Couponschneider, Banken- und Hedgefondmanager, die legal oder illegal um zig Millionen Euro zu wenig Steuern zahlen, mit keinem Wort eingehen. Wer bereichert sich denn am Gemeinwohl? Sicher, auch die Politiker, aber das sind doch nur die "kleinen Fische".