piwik no script img

Die Neugier der anderen

DATENSCHUTZ Wenn Polizisten auf eigene Faust nach Informationen fischen: Kiel erwägt, Beamten auf die Finger zu schauen

Aus Sicht des Landesdatenschutzzentrums nimmt die Polizei das Problem ernster als andere Behörden

VON ESTHER GEISSLINGER

Beim Nachbarn fährt ein Streifenwagen vor? Kann der ganz normale Bürger bei solchen Gelegenheiten allenfalls durch die Gardine spähen, hat es, sagen wir, ein Polizist da besser. Er kann in den internen Datenbanken nachschauen, was da nebenan vor sich geht – so geschehen in Schleswig-Holstein.

Selten, aber durchaus kein einmaliger Fall: Rund 40 Mal griffen Beamte im Land in den vergangenen Jahren missbräuchlich auf Bürgerdaten zu. Einmal sollen sogar Adressen von Mitgliedern der „Bandidos“ an die Rocker-Konkurrenz von den Hells Angels weitergeleitet worden sein – durch eine Beamtin. Im vergangenen Jahr wurden unter 133 überprüften Daten-Zugriffen acht Missbräuche festgestellt. Der Kieler Innenminister Andreas Breitner (SPD) will nun prüfen, automatisierte Kontrollverfahren einzuführen.

Kein Einzelfall

Wenn Polizisten aus privatem Interesse Daten sammeln, treibe sie „oft die Neugier, von der wir alle nicht frei sind“, sagte Leopold Fuß, stellvertretender Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium jetzt vor dem Innen- und Rechtsausschuss des Landtags. Keiner der im Jahr 2012 bekannt gewordenen Fälle führte zu einer Disziplinarstrafe, die Beamten zahlten Bußgelder.

Einige Abfragen nannte Fuß „Beifang“: Es wurden mehr Daten abgefischt, als für die eigentliche Ermittlung nötig gewesen wären. In einem Fall geriet ein Minderjähriger in eine Überprüfung, die einem Elternteil galt. Ein Beamter machte auf Bitte einer Verwandten eine Abfrage für ein Führungszeugnis. Zum Fall der Rockerdaten-Weitergabe wollte Fuß nichts sagen, die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Die meisten Mitglieder des Innenausschusses sahen in all dem kein großes Problem: So sprach die CDU-Abgeordnete Astrid Damerow von wenigen Fällen, „fast alle unterhalb der Disziplinargrenze“.

Dass Fälle von Datenmissbrauch durch Polizisten bekannt werden, ist aus Sicht des Unabhängigen Landesdatenschutzzentrums (ULD) geradezu ein gutes Zeichen: Das Thema werde beachtet, Verstöße würden verfolgt und sanktioniert, stärker als in anderen Behörden. Allerdings gelange auch nur ein kleiner Teil bis in ihr Haus, sagte Marit Hansen vom ULD vor dem Ausschuss. Als erste Instanz sind polizeieigene Datenschützer zuständig, sieben Stellen sind dafür eingerichtet worden. Und die überprüfen nicht ohne einen Anlass.

Nicht wenig findet Patrick Breyer, Vorsitzender der Piratenfraktion im Kieler Landtag, die Zahl von acht entdeckten Missbräuchen auf 133 überprüfte Datensätze. Er verweist auf andere Bundesländer, in denen sechs Prozent aller Anfragen an die Polizei-Datenbanken private Gründe hätten und sich weitere 30 Prozent nicht genau klären ließen. Breyer schlägt eine automatisierte Überprüfung vor, die etwa jeden 100. Zugriff auf das interne Netz genauer betrachtet.

„Kleines Problem“

Auch die Datenschützerin Hansen kann sich neue „Tools“ vorstellen, die die technische Kontrolle verbessern. Ein Vier-Augen-Prinzip bei der Datenabfrage lehnt Leopold Fuß ab: „Ein klares Nein. Diese Abfragen sind das tägliche Brot, es geht nicht, damit zwei Beamte zu beschäftigen.“

Mit Arbeitsbelastung und immer engeren Dienstplänen argumentiert auch Andreas Kropius von der Gewerkschaft der Polizei: „Wir stemmen uns nicht gegen Überprüfung, aber man muss Aufwand und Nutzen sehen.“ In Zeiten, in denen kleine Reviere geschlossen und Stellen im Landesdienst abgebaut würden, sei es fraglich, ob das zahlenmäßig „kleine Problem“ den Einsatz von mehr Personal rechtfertige. Ganz „auf null fahren“ ließen sich Verstöße ohnehin nicht, befürchtet Kropius.

Breyer verlangt, alle Zugriffe auf Polizeidatenbanken zu protokollieren. Und er fordert, dass Betroffene informiert werden, wenn ein Beamter ihre Daten gelesen hat: „Bisher erfährt man nur zufällig vom Missbrauch.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen