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Debatte NPD-VerbotDie V-Mann-Falle

Kommentar von Wolfgang Gast

Vertrauensleute des Verfassungsschutzes sollen die Neonaziszene bekämpfen, tatsächlich aber unterstützen sie sie. Demokratische Ehrenmänner sind sie keinesfalls.

Wie kriminell ist die NPD? Und wie kriminell die V-Leute? Bild: dapd

B randstiftung, Mordaufrufe, Waffenhandel und Gründung einer terroristischen Vereinigung - das sind nur einige der Straftaten, die die sogenannten "Vertrauensmänner" des Verfassungsschutzes im Schutz ihrer Legende begehen. V-Männer waren es auch, die an führender Stelle in der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) tätig wurden - und deren klandestine Tätigkeit für die Sicherheitsbehörden ein Verbotsverfahren gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht 2003 zum Scheitern brachte.

Für das Verfassungsgericht war es schwierig geworden, den Unterschied zwischen einer "echten" NPD und einer vom Verfassungsschutz unterwanderten NPD auszumachen. Was die Karlsruher Richter am meisten erboste: V-Leute des Verfassungsschutzes hatten an führender Stelle in der rechtsextremen Partei jene belastenden Belege mitproduziert, die dann zur Begründung eines Verbots der Partei herhalten sollten.

Unkontrollierte Grauzone

Rund 130 dieser "Vertrauensmänner" der verschiedenen Verfassungsschutzämter sollen auch heute noch in den verschiedenen Gliederungen der NPD tätig sein. Bestätigt wird diese Zahl von den Behörden aus Geheimhaltungsgründen nicht, sie erscheint aber im Licht des vor acht Jahren zu Ende gegangenen Verbotsverfahrens plausibel. Damals wurde berichtet, dass etwa dreißig der führenden NPD-Funktionäre im Dienste des Inlandsgeheimdienst gestanden hätten.

Wenn heute angesichts der vielfältigen Kontakte zwischen den Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrund, der Neonaziszene und der NPD erneut über ein Verbot der Nationaldemokraten diskutiert wird, wäre das Anlass genug, eine lang verdrängte Tatsache ins öffentliche Bewusstsein zurückzuholen: die Tatsache, dass der Geheimdienst im Auftrag der Exekutiven in kaum kontrollierbaren Grauzonen mit allerlei ausgesprochen fragwürdigen Methoden operiert.

WOLFGANG GAST ist seit 1989 Redakteur bei der taz und beschäftigt sich immer wieder mit den Themenfeldern Innere Sicherheit, Terrorismus und den diversen Geheimdiensten in Deutschland.

Dass V-Leute keine Ehrenmänner sind, die die Demokratie, die Verfassungsordnung oder schlicht den menschlichen Anstand retten oder verteidigen wollen, ist hinlänglich bekannt. Wer seine Kameraden bei den Behörden anschwärzt, darf keine besondere Sympathie erwarten. Weitgehend verdrängt wird aber, wozu diese Rassisten, Schläger und Rechtsideologen mit Duldung der Sicherheitsbehörden tatsächlich fähig waren und sind.

Timo Brandt etwa, 1994 vom Verfassungsschutz in Thüringen als V-Mann Nummer 2045 unter dem Decknamen "Otto" angeworben, war Spitzenfunktionär des NPD-Landesverbands. Er agierte dort als Sprecher einer "revolutionären Plattform", er organisierte über die Jahre alle großen NPD-Aufmärsche. Er war auch Chef des "Thüringer Heimatschutzes", dem die spätere Zwickauer Mordbande um Mundlos, Bönhardt und Zschäpe angehörte. 200.000 DM soll Brandt in sechs Jahren an Spesen und Prämien kassiert haben, die er vorwiegend in den Aufbau seines Heimatschutzes und anderer rechtsextremer Strukturen steckte.

"Die ausgesprochen konstruktive Arbeit des Kameraden Brandt", lobte seinerzeit der NPD-Vorsitzenden Udo Voigt, hat sehr dazu beigetragen, dass der Landesverband Thüringen wieder Tritt gefasst hat." Tatsächlich stieg die Mitgliederzahl der NPD unter Timo Brandt, der sich selber zum "Überzeugungsspitzel" erklärte, deutlich an. "Otto" hat auch die gesamte Karriere des Zwickauer Terrortrios bis zu seinem Abtauchen Anfang 1998 mitverfolgt.

Fehlgeleitete Informationen

Der amtierende Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Sippel, fasste vor dem Innenausschuss des Landtages Ende vergangenen Jahres zusammen, was alle Verfassungsschutzämter seit Jahren zum Besten geben: "Es braucht qualitativ gute Quellen, um diese Szene überhaupt penetrieren zu können und Ermittlungsansätze zu finden." Sippel brüstete sich weiter damit, dass sein Amt "zum Auffinden des Unterschlupfes des Trios", gemeint war die Zwickauer Terrorzelle, auch V-Leute eingesetzt habe.

Die lieferten aber nicht nur zutreffende Hinweise auf einen Aufenthaltsort der Gesuchten, sie setzten darüber hinaus sowohl das Landesamt als auch die Zielfahnder der Polizei auf falsche Fährten: Mal hieß es, die drei seien in Südafrika untergetaucht, mal hieß es, sie seien auf Kreta tot aufgefunden worden. "Möglicherweise bewusst fehlgeleitete Informationen", urteilte dazu Jörg Zierke, Chef des Bundeskriminalamts in Wiesbaden.

Im Auftrag der Partei

Über den Einsatz von V-Leuten wird aus Gründen des "Quellenschutzes" nach wie vor der Schleier der Geheimhaltung ausgebreitet. Angesichts der bislang bekannt gewordenen Fälle drängt sich allerdings die Frage auf: Führt der Einsatz von "Vertrauenspersonen" nicht zwangsläufig dazu, dass der Verfassungsschutz praktisch zur Verfestigung ebenjener Szene beiträgt, die er eigentlich beobachten und bekämpfen soll?

Noch zugespitzter könnte gefragt werden, wer hier eigentlich wen durch die Arena zieht: der Verfassungsschutz die rechte Szene oder doch eher die Rechten die Mitarbeiter des Geheimdienstes. Wolfgang Frenz zum Beispiel war von 1959 bis 1995 V-Mann und langjähriges Mitglied im Bundesvorstand der NPD. Für seine Kontakte zu den Schlapphüten hatte er sich seinerzeit das Plazet des damaligen Parteichefs Adolf von Thadden geholt.

Im Kampf gegen den rechten Extremismus sind die Erfolge des Verfassungsschutzes ausgesprochen bescheiden. Weder konnte er das zunehmende Gewicht rechtsextremer Organisationen zuverlässig prognostizieren, noch konnte er nennenswert zur Aufklärung von Straftaten beitragen, die von Neonazis begangen wurden.

Im Gegenteil: Während antirassistische Initiativen, Bürgerrechts- und Ausländerorganisationen die zunehmende Vernetzung neonazistischer Organisationen anprangerten, bagatellisierten die Verfassungsschutzbehörden: Terroristische Strukturen seien in der rechtsextremen Szene nicht auszumachen. Dass sich in Zwickau unter dem Namen "Nationalsozialistischer Untergrund" ebensolche Strukturen gebildet hatten, ist den Verfassungsschützern entgangen, aller eingeschleusten V-Leute zum Trotz.

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10 Kommentare

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  • J
    Jörn

    Während man im Namen von Demokratie und Meinungsfreiheit auch extreme Parteien dulden sollte, sollte man nicht mit ansehen müssen, dass diese über dunkle Kassen des Verfassungsschutzes finanziert werden, Straftäter mit falschen Pässen ausgestattet werden und die Polizei bei den Ermittlungen behindert wird. Gleichzeitig wird trotz der vorhandenen Informationen eine offizielle Beschwichtigungspolitik gefahren. Die Gefahr ist nicht die NPD - die Gefahr ist ein unkontrollierter Verfassungsschutz, der mit Sonderrechten und Geld ausgestattet die demokratische Ordnung untergräbt.

     

    Statt hier Konsequenzen zu ziehen, wird weiter gegen Null ermittelt. Terroristische Vereinigung? Nicht nachweisbar! Mordbeteiligung? Zu unkonkret! Es scheint, dass hier auch Polizei und Staatsanwaltschaft nicht recht ermitteln wollen, damit der Sumpf nicht zum Vorschein kommt.

    Wir brauchen keine Lichterketten, sondern konsequente Polizeiarbeit gegen Verbrecher und Terroristen. Will nicht wissen in wie vielen Fällen Ermittlungen gestoppt wurden, weil der Verfassungsschutz die Hand darüber hielt!

    Im Ergebnis werden dutzendweise Menschen ermordet. Staatlich finanzierte und protegierte Faschischten helfen bei der Auswahl der Opfer und beschaffen die Tatwaffen. Schuldig sind allerdings nur zwei bereits verstorbene Täter - daher war's auch keine terroristische Vereinigung. Zurück zur Tagesordnung!

     

    Der eigentliche Skandal würde dann aufgedeckt, wenn feststeht warum und von wem die beiden ermordet wurden. Liefen die beiden "aus dem Ruder" und drohten die Fassade des staatstreuen Verfassungsschutzes zu enttarnen? Mit was hatten die beiden gedroht, um so lange unbehelligt morden zu können? Wer entschied sie gewähren zu lassen und wer entschied dem endlich ein Ende zu bereiten? Warum recherchiert hier niemand? Warum kümmert sich die Presse dagegen nur darum wessen Kleider die Frau des Bundespräsidentin trägt?

  • G
    Gartner

    Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren das mit Hilfe der Rechten Gesetze in diesem Land eingeführt oder verschärft werden sollen. Das betrifft dann alle.In meiner Zeit als V- Mann wurde ich regelrecht ausgebremst. Als ich Informationen eine Rechtsextremen Partei in Bayern liefern wollte, wurden diese Informationen zurückgewiesen.Auf Anweisung von "Ganz oben". Es durfte zu dem Zeitpunkt gegen diese Gruppierung nicht ermittelt werden.Interessant wären auch mal Recherchen bezüglich der Brandlegungen im Asylantenheim in den neuen Bundesländern Anfang der 90er Jahre. Da waren vorab deutliche Hinweise vorhanden und als es dann brannte waren merkwürdigerweise TV-Teams von öffentlich-rechtlichen Anstalten dabei.Aber keine Polizei.Übrigends ist es falsch allen V-Leuten in der Szene zu unterstellen, sie seien Nazis.Es gibt da durchaus Demokraten, die der Meinung sind dem Rechtsstaat zu dienen.Die Frage ist nur ob die Führung dieses Landes das überhaupt wollen?

  • MM
    Mensch Meier

    Angesichts der "so genannten Pannen" beim Verfassungsschutz stellt sich doch die Frage, ob da nicht System dahinter steckt.

    Wie gerne werden rechtspopulistische Klischees bedient, wenn es darum geht Wählerstimmen einzufangen? Dass bei uns das Volk regiert, daran glaubt doch wohl keiner mehr. Wer regiert also? Für mich ist das ganz klar, der Kapitalismus. Oder hat jemand schon einmal etwas davon gehört, dass es V-Leute bei E-ON, MBB oder bei der Deutschen Bank gibt?

    Und, hat der Kapitalismus unter der NS-Regierung des dritten Reiches leiden müssen? BASF, Krupp, Mercedes-Benz, Deutsche Bank? Wohl eher nicht. Wohl aber unter sozialistischen und kommunistischen Regierungen.

    Wenn man sich also darauf einigen kann, dass unsere "Volksvertreter" Marionetten des Kapitals sind, ist es auch einleuchtend, dass Faschismus systemtragend ist, ganz im Gegenteil dazu der Kommunismus.

    Nun kann man sagen, "Das ist doch alles ziemlich schwarz-weiss, schließlich haben wir eine Demokratie". Doch ist Demokratie kein Wirtschaftssystem sondern ein Spiel der Kräfte.

  • W
    Webmarxist

    Am besten den Verfassungsschutz auflösen und die

    V-Männer gleich mit. Sie helfen nicht den Ermittlungsbehörden, sondern nur ihren Nazi-Kameraden aus der NPD.

     

    Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen.

  • RD
    Rainer David W. Früh

    ....sage ich doch seit Jahren: V-Leute abschalten, Gelder auf null runterfahren und der ganze Dreckhaufen fällt in sich selbst zusammen.

    Als Folge werden zwar die SED und die Piraten dann zwar Zulauf bekommen, aber, was soll`s.

  • G
    Guenterkastenfrosch

    "200.000 DM soll Brandt in sechs Jahren an Spesen und Prämien kassiert haben, die er vorwiegend in den Aufbau seines Heimatschutzes und anderer rechtsextremer Strukturen steckte": Das bedeutet schlicht und ergreifend, dass der Verfassungsschutz und damit der Staat (also mittels Steuern wir alle) direkt die rechte Szene finanzieren. Da erübrigen sich doch eigentlich alle weiteren vorsichtigen bzw. "ausgewogenen" Fragen, oder ? Ich wollte an und für sich keine "Spenden" an Nazis vergeben...Ein weiterer Grund, so wenig wie möglich Steuern an diesen Staat zu zahlen, der damit entweder fahrlässig oder verschwenderisch und sehr oft ethisch unkorrekt umgeht.

  • S
    sigibold

    Besteht eigentlich irgendeine Möglichkeit ein Verbotsverfahren wegen verfassungsfeindlichen Agierens gegen den die Verfassungsschutzbehörden einzuleiten?

     

    sigibold

  • T
    Tomate

    "Dass sich in Zwickau unter dem Namen "Nationalsozialistischer Untergrund" ebensolche Strukturen gebildet hatten, ist den Verfassungsschützern entgangen, aller eingeschleusten V-Leute zum Trotz."

     

    Lieber Herr Gast: ist Ihnen bislang entgangen, dass diese Darstellung - dass es sich nur um "Fehler" des Verfassungsschutzes handle - angesichts der seit Wochen langsam herauströpfelnden Fakten kaum noch haltbar ist und auf drei Meilen gegen den Wind stinkt? Oder haben Sie bzw. Ihre Zeitung Angst, als unseriöse Verschwörungstheoretiker denunziert zu werden?

     

    Traurig, wie unsere Medien den vom Staat besoldeten Verfassungsfeinden helfen, diesen Skandal erst in eine bloße Peinlichkeit, und am Ende dann doch noch in einen Sieg (Vorratsdatenspeicherung) umzumünzen. In den deutschen Innenministerien wird man allerdings gerne auf Ihr Wohl trinken.

  • H
    Harald

    V-Leute und Verbindungsführer gehen häufig dubiose, übel-riechende Deals ein. Nicht wenige V-Leute stehen vor Gericht wegen Straftaten und nicht wenige müssen deswegen auch 'abgeschaltet' werden.

     

    Auf die Rechtsextremisten und Neonazis hat der Staat aber eine Armee von Verbindungsführern angesetzt und die haben hübsch parallel und geheim nebeneinander eine neue Parteien- bzw. Kameradschaftsfinanzierung ins Leben gerufen, denn einen Durchblick haben sie ja nicht und das Landesamt Thüringen hat sich auch regelrecht bei der Szene angebiedert und wahrscheinlich die Kontrolle dabei verloren.

     

    Vielleicht hat die Szene auch das Amt unterwandert oder die Leute dort hatten am Ende Sympathie für ihre braune Klientel. Dass dort mehrere Dinge parallel den Bach runtergegangen sind, liegt doch auf der Hand.

  • JM
    Jules Mari

    Ein NPD-Verbot löst kein Problem: aus den Augen, aus dem Sinn funktioniert eben nicht.

    Man muss nicht Hellseher sein um vohersehen zu können, dass innert kürzester Zeit eine neue Partei – möglicherweise ohne manche ideologische Altlast und ohne alte Schulden entstünde. So gesehen zeugte ein Parteienverbot nicht nur von mangelhaftem Auseinandersetzungswillen mit den ewig Gestrigen – die es nunmal gibt! – sondern könnte sich auch als Hilfestellung einer gefährlichen Operation Phönix der Rechtsextremen erweisen.

    Man kann Unliebsames nicht einfach verbieten!

    Mittelfristig sollte jedoch die Parteienfinanzierung überdacht werden, damit man verfassungsfeindliche Parteien nicht mit durchfüttern muss.