TANIA MARTINI LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: No drama, no love, Baby

Die Frau am Nachbartisch erzählte viel. Von einem neuen Job, der Genesung nach der Grippe, der Versöhnung mit einer Freundin. Jedes Thema beendete sie mit der Formel: „Alles schick.“ Als ihr Tischpartner sich nach ihrer Liebesbeziehung erkundigte, antwortete sie wieder „alles schick“ und „wir verstehen uns“. Sie begegnet einem immer häufiger, diese neurotische Bejahung des Ich und des Daseins. Vielleicht bloß eine neue modische Floskel? So wie man sonst mit einem schlichten „weißt du“ oder „verstehst du“ am Satzende sich der Aufmerksamkeit des anderen versichern will? Demgegenüber wirkt das „Alles schick“ eher wie die prophylaktische Eindämmung jedweden Zweifels. Kann ein solches Ausmaß an Positivität noch gesund sein? Menschen ohne Zweifel, ohne Melancholie, ohne Dialog. Und: Welch grausames Leistungsdiktat, wenn alles schick sein muss. Wenn alles optimiert sein muss: das Arbeiten, das Lieben, das ganze Leben.

Für den Philosphen Byung-Chul Han ist der übermäßige Gebrauch des Adjektivs „köstlich“, ein Beleg für das „Diktat der Positivität“. In seinem neuen Buch „Agonie des Eros“ (Matthes & Seitz, Berlin 2012) beschreibt er das Verschwinden der Negativität, die sich mit dem allgegenwärtigen Leistungsprinzip nicht mehr vertrage. Das Leistungsprinzip, längst kein Fremdzwang mehr, sondern ein Selbstzwang, habe auch die Liebe und die Sexualität erfasst. – „Alles schick. Wir verstehen uns.“

Byung-Chul Han ruft eine Krise der Liebe aus. Liebe heute habe vor allem angenehme Gefühle zu erzeugen, das In-Liebe-Verfallen wäre schon zu negativ. Zu einer Konsumformel domestiziert, habe der reale und der symbolische Schmutz, die Überschreitung, das Drama, der Exzess keinen Platz mehr in ihr: „Das Begehren des Anderen weicht dem Komfort des Gleichen.“ – „Alles schick. Wir verstehen uns.“

Und so ist es Byung-Chul Han zufolge das Leistungsprinzip, das den anderen zum Verschwinden bringt. Dem Leistungssubjekt, in die Angleichung des Anderen an das Selbst und narzisstisch immer nur noch tiefer in sein Ego verstrickt, bleibt am Ende nur eines: die „Erfolgsdepression“. Und die ist am Ende, na klar, einfach schick.

■ Die Autorin ist Redakteurin für das politische Buch