Neue Lücke in der Mauer

DENKMAL Längster Mauerrest wird kürzer

Es ist ein kleiner Schnitt in eine Mauer, aber ein riesiger Skandal für alle Nostalgiker: Am Freitag haben Bauarbeiter in Berlin damit begonnen, einen Teil der Mauerreste zu versetzen. Auf gut 1.300 Metern steht am Spreeufer das längste noch in der Hauptstadt existierende Mauerstück, das einst Friedrichshain (Ost-Berlin) und Kreuzberg (West-Berlin) trennte. Nach der Wende wurde die Mauer auf der Ost-Seite von zahlreichen Künstlern bemalt, der Ort ist als „East Side Gallery“ bekannt.

Auf der einen Seite der Mauer ist eine vielbefahrene Straße, auf der anderen Seite das Spreeufer mit einem Grünstreifen. Bisher gibt es fünf Durchgänge durch die Mauer, damit Spaziergänger das Ufer, eine Strandbar und eine Bootsanlegestelle erreichen können. Für viel Wirbel sorgt jetzt, dass einer der bestehenden Durchgänge von 5 Meter auf 12,80 Meter verbreitert werden und zusätzlich ein neuer Durchgang von 22 Meter Breite geschaffen werden soll.

Der neue Mauerdurchbruch wird benötigt, weil hier eine Brücke über die Spree wieder aufgebaut werden soll: Die Brommybrücke, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde und anschließend nicht wieder aufgebaut wurde, da sie den Ostsektor Berlins mit einem Westsektor verband. Nach dem Mauerfall war hier zunächst eine Autobrücke geplant, doch die Bürger des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg forderten per Bürgerentscheid, dass stattdessen eine Brücke für Radfahrer und Fußgänger gebaut wird: 85 Prozent stimmten im Jahr 2008 dafür. Und damit diese Brücke nicht an einer Mauer endet, braucht es diesen Durchbruch zur Straße.

An einer zweiten Stelle ist derzeit ein fünf Meter breites Loch in der Mauer, durch das man zu einer Strandbar gelangt. In Kürze beginnt hier der Bau eines Wohnhochhauses am Spreeufer. Der Eigentümer forderte einen breiteren Zugang, der Bezirk lehnte ab, der Eigentümer zog vor das Verwaltungsgericht – und gewann. Jetzt muss die Lücke hier um 7,80 Meter vergrößert werden.

Angesichts der Gesamtlänge der Mauer von 1.300 Metern könnte man die Lücken für vernachlässigbar halten – doch offenbar wird die „East Side Gallery“ als besonderes Symbol gesehen, das nicht weiter verändert werden darf. „Nur ein zusammenhängendes Mauerstück verdeutlicht authentisch, wie brutal der Todesstreifen Berlin einst zerschnitten hat“, meint der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner. SEBASTIAN HEISER