Ken Jebsen und der RBB: "Ich benutze Humor als Waffe"
Ein Irrer, aber kein Antisemit. Das sagt Ken Jebsen über sich selbst. Gespräch über den RBB, seinen Rauswurf beim Sender, Stunden der Bewährung und Tabu-Themen.
taz: Herr Jebsen, Sie vermuten, Sie seien beim RBB rausgeflogen, weil Sie in Ihrer Sendung "KenFM" "zu politisch" waren. Was bedeutet das eigentlich: politisch sein?
Ken Jebsen: Das hängt davon ab, wem man diese Frage stellt. Es gibt Länder, in denen es gefährlich ist, politisch zu sein. Mein Vater kommt aus dem Iran. Wenn man im Iran politisch ist, kann das körperliche Konsequenzen haben. Positiv ausgedrückt.
In Deutschland ist das anders.
Hier ist das nicht so. Aber wir müssen etwas tun, damit das so bleibt. Wir haben in Deutschland ein historisches Erbe, zwei Diktaturen im zwanzigsten Jahrhundert. Oft frage ich mich: Wo wäre ich gestanden? Wäre ich eher Geschwister Scholl gewesen oder doch Hitlers Sekretärin?
Und?
Ich weiß es nicht. Ich würde gerne sicher sein, dass ich in Stunden der Bewährung mutig bin.
geboren 1966, begann seine Radiokarriere beim Reutlinger Privatsender Radio Neufunkland. Danach machte er bei Deutsche Welle TV mit einem Bananen-Mikro und spontanen Interviews auf sich aufmerksam. Bald bekam er Spitznamen wie "Reporter des Wahnsinns" oder "Chaosreporter". Seit 2001 produzierte für Radio Fritz, das Jugendradio des RBB, seine preisgekrönte Show "KenFM", in die er Bands einlud und über Politik sprach. Im November 2011 nahm der RBB die Sendung kurzfristig aus dem Programm, es folgte der Rauswurf. Laut RBB hat Jebsen gegen "journalistische Standards" verstoßen". Ken Jebsen klagt nun gegen den Rauswurf.
Erleben Sie im Moment Stunden der Bewährung?
Es sind auf jeden Fall sehr spannende Zeiten: Die Occupy-Bewegung, der internationale Protest. Heiner Geißler sagte unlängst einen bemerkenswerten Satz im ZDF. "Das kapitalistische System ist am Ende, wir stehen vor einer Revolution." Das sagt Heiner Geißler. Im ZDF.
Und Sie sagten in einer Sendung zu den Anschlägen vom 11. September, die Meinungsfreiheit sei bei diesem Thema ausgesetzt.
Es gibt Tabu-Themen. Und die sind für mich besonders interessant. Es sollte in einem Land, in dem man über alles reden darf, nicht Themen geben, bei denen es heißt: "Hierüber sprichst du aber bitte nicht!"
Sie können in Deutschland über den 11. September reden, so viel Sie wollen.
Ich stelle mal eine andere Frage: Wenn man davon ausgeht, dass der 11. September der größte Mordfall in der jüngsten Geschichte ist - warum hat man ihn dann schon zu Ende untersucht? Da werde ich neugierig. Wie ein "Tatort"-Kommissar. Aber eine Sache stört mich.
Was denn?
Dass sich die Medien auf diese Sendung zum 11. September fokussieren. Das war eine von über 500 Sendungen. Da wird übersehen: "KenFM" ist eine Musiksendung. Rock n Roll. Über 1.000 Bands spielten bei uns, viele davon live. Dazu haben wir auch politische Themen angefasst. Es gab Sendungen zu Uranmunition, eine Sendung wurde live aus dem Jugendknast gesendet. Dafür gabs viel Lob und Anerkennung. Aber darüber will jetzt niemand mehr reden.
Vielleicht haben Sie vor Gericht die Chance, das zu klären. Der RBB begründet ihren Rauswurf damit, dass sie gegen journalistische Standards verstoßen hätten. Sie vermuten eher, dass sie "zu politisch" waren. Machen Sie es sich da nicht zu einfach?
Ich wundere mich nur. Ich soll gegen journalistische Standards verstoßen haben? Dann frage ich: Was sind die Standards des RBB? Wo stehen die? Wenn ich über eine rote Ampel fahre, dann gibt es Verkehrsregeln, die das verbieten. Bei "KenFM" war alles spielerisch, wir haben Essays mit Glossen und Satiren gemischt. Das dürfen wir. Würde man den Filmen von Monty Python vorwerfen, dass sie historisch nicht korrekt sind?
"KenFM" war also Satire und nicht ernst zu nehmen.
Es gab Anteile von Satire, ja. Manchen Dingen kann man eben nur mit Satire und Spott begegnen. Man kann dem Bundespräsidenten im Moment nur mit Spott begegnen. Ich benutze Humor als Waffe. Loriot hat das auch getan.
Vielleicht hat Claudia Nothelle, die zuständige Programmdirektorin, Ihren Humor nicht verstanden?
Davon gehe ich aus. Dagmar Reim, die Intendantin des RBB, hat im Radio vor Kurzem etwas Bemerkenswertes gesagt: "Warum sollen wir die Menschen 24 Stunden am Tag erziehen? Warum sollen wir ihnen nicht etwas garantiert hundertprozentig Ungefährliches bieten, was ihr Herz erfreut?" Das klingt für mich nach altem Programm. Ich will anderes Programm machen.
Sie haben vor allem wegen einer Aussage Probleme bekommen: In einem Chat schrieben Sie, Sie wüssten, "wer den Holocaust als PR erfunden" habe. Sie formulierten in grauenhafter Rechtschreibung; ohne Punkt, Komma und Anführungszeichen. Der Publizist Henryk M. Broder leitete das Zitat per Mail an den RBB weiter. Er bezeichnete Sie darin als "Irren" und "Antisemiten". Hat Broder recht?
Ich bin vielleicht ein Irrer. Aber kein Antisemit.
Man kann aber durchaus den Eindruck bekommen, wenn man besagtes Zitat liest.
Stopp! Wer mich und meine Sendungen kennt, weiß: Ich kann Nazis, Neonazis und Antisemiten auf den Tod nicht ausstehen. Das, was ich geschrieben habe, stammt nicht aus meiner Feder, sondern ist ein Zitat! Aber Broder macht daraus, dass ich sagen würde, der Holocaust sei nur eine PR-Erfindung.
Der Satz stammt also nicht von Ihnen?
Nein. Das ist absurd! Ich habe in meiner Sendung immer gewarnt, dass wir den Holocaust nicht vergessen dürfen. Ich habe etliche Male auf das Thema hingewiesen. Es gibt 545 Beispiele. Ich habe mir im Schallarchiv O-Töne von Auschwitz-Überlebenden gekauft und sie in der Sendung gespielt. Ich habe immer wieder daran erinnert, was damals passiert ist. Gegen den Vorwurf, ich sei Antisemit, hat mich der RBB übrigens in Schutz genommen. Das war nicht der Grund der Kündigung.
Warum klagen Sie nun? Wollen Sie zurück zum RBB?
Ich klage, damit die Wahrheit über meinen Rauswurf ans Licht kommt. Bislang hat der RBB den Kündigungsgrund ja immer nur pauschal behauptet. Ein konkreter Nachweis, ein Beleg steht bis heute aus.
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