Lynchjustiz in Guatemala: Als sie den Polizisten verbrannten

Nirgends auf der Welt werden so viele Menschen umgebracht wie in Guatemala. Und nirgends werden so viele Menschen gelyncht. Was hat das mit den Maya zu tun?

Gewalt ist in Guatemala allgegenwärtig: Auch im Gedenken an die Opfer des Bürgerkriegs-Genozids unter dem Diktator Montt. Wie hier: vor dem Prozess gegen Montt Bild: reuters

Am 1. November 2009 lässt der Bürgermeister in dem Städtchen San Juan Cotzal einen Polizisten, der ihm Ärger gemacht hatte, verbrennen. Das Volk hat sich vor dem Rathaus versammelt. Es gibt niemanden, der laut widerspricht.

Am 26. Juni 2011, knapp zwei Jahre später, wird der Bürgermeister von San Juan Cotzal deswegen festgenommen. Polizei und Armee rücken für mehrere Tage in den Ort ein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Folter, Anstiftung zum Verbrechen, Körperverletzung, illegale Festnahme und Amtsmissbrauch vor.

Das der Fall jetzt die Justiz beschäftigt, ist alles andere als selbstverständlich. Bisher haben die Staatsanwaltschaften des Landes sich kaum mit solchen Taten beschäftigt. Dabei hat das Lynchen, diese kollektive Selbstjustiz an Schuldigen und Unschuldigen, seit dem Ende des Bürgerkriegs stark zugenommen. Im Jahr 1996, als die rechte Regierung und die linke Guerilla nach 36 Jahren des Gemetzels einen Friedensvertrag unterzeichneten, wurden dem UN-Hochkommissariat für Menschenrechte zufolge in Guatemala knapp 50 Menschen Opfer von Lynchjustiz. Im Jahr 2000 waren es schon über 100, im vergangenen Jahr fast 300.

Die Kommentatoren der Zeitungen sprechen von einem Phänomen, das mit der Kultur der Maya zu erklären sei. Und tatsächlich hatte auch der Bürgermeister angekündigt, man werde dem Polizisten nun „Maya-Gerechtigkeit“ widerfahren lassen, bevor der auf dem Marktplatz angezündet wurde.

Lynchmorde als Maya-Morde? Das seien Hirngespinste, die den Rassismus der hellhäutigeren Mittel- und Oberschicht Guatemalas gegen die überwiegend arme indianische Bevölkerungsmehrheit zeigen, sagt Eduardo Sacayón: „Ein Grundprinzip der traditionellen Maya-Justiz ist die Gewaltlosigkeit.“ Sacayón ist Sozialpsychologe und Direktor des Instituts für interethnische Studien an der staatlichen San Carlos Universität von Guatemala-Stadt.

Ziel der traditionellen Maya-Justiz sei es, die durch ein Vergehen gestörte Harmonie in einer Gemeinschaft wieder herzustellen, sagt er. Die Strafen waren ursprünglich rein symbolisch. „Sicher, es wurden dabei auch Seile eingesetzt. Es gab Fesselungen. Aber ohne Schmerz für den Delinquenten.“

Sacayón gesteht zu, dass es die „reine Form der Maya-Gerechtigkeit“ nicht mehr gibt. „Auch dieses Rechtssystem ist Einflüssen von außen ausgesetzt.“ Es gebe heute Fälle von Prügelstrafen und Auspeitschungen. Die Serie der Lnychmorde aber sei kein ethnisches Phänomen. Sie haben zwar in meist abgelegenen Maya-Gemeinden begonnen, längst aber auch die Städte erreicht.

In San Juan Cotzal hat der Staat jetzt reagiert.

Wie genau sich der Lynchmord in San Juan Cotzal zugetragen hat, wo die wahren Ursachen für solche grausamen Taten liegen und wie der Bürgermeister schließlich verhaftet wurde, lesen Sie in der Ganzen Geschichte der aktuellen sonntaz. Am Kiosk, eKiosk und //www.taz.de/zeitung/abo/wochenendabo_mailing/:im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

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