Angela Merkel in China: Alte Freundin mit schwerem Gepäck
Bei ihrem Chinabesuch wird Bundeskanzlerin Merkel als "Alte Freundin" begrüßt und wirbt um den Euro. Menschenrechte bleiben ein Randthema.
PEKING taz | Zum Auftakt ihres dreitägigen China-Besuches sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften in Peking. Als alte Freundin des chinesischen Volkes" begrüßte sie Wang Weiguang, der Vizechef der Akademie.
Bei ihrem fünftem Besuch als Kanzlerin in Peking steckt Europa in einer schweren Schuldenkrise. Ihre Botschaft an die Chinesen: Der Euro sei sicher - auch wenn es noch eine Weile brauche, bis die europäischen Staaten die notwendige Haushaltsdisziplin und finanzpolitischen Regeln umsetzen, die sie auf ihrem Finanzgipfel in Brüssel beschlossen haben.
"Europa wächst in der Krise zusammen", erklärte die Kanzlerin. Für die Mitglieder der EU sei der beschlossene Fiskalpakt ein wichtiger Schritt dazu, auch politisch enger miteinander zu kooperieren. "Wir müssen uns Schritt für Schritt auf eine gemeinsame Haushaltspolitik hinbewegen." Die Länder der EU müssten zwei Dinge zugleich bewältigen: ihre gewaltigen Schulden in den Griff bekommen und das Wirtschaftswachstum stärken, um die zum Teil große Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Gleichzeitig warb Merkel für verstärktes Engagement chinesischer Unternehmen in Deutschland: "Was ich Ihnen zusagen kann, ist, dass unser Markt, der deutsche Markt, offen ist für chinesische Investitionen." Sie appellierte an die wirtschaftlichen Interessen beider Seiten: "Es geht immer um faire Kooperation, fairen Wettbewerb, der auf Gegenseitigkeit beruht."
Keine direkte Hilfe für die EU
Nachmittags traf die Kanzlerin den Ministerpräsidenten Wen Jiabao in der Großen Halle des Volkes. Nach dem Treffen machte Wen vor Journalisten deutlich, dass China den Euro nicht mit starken Finanzspritzen retten werde, bevor sich die EU reformiert. Peking prüfe zwar ein stärkeres Engagement bei den Rettungsschirmen, doch der Regierungschef sagte auch: "Die EU-Schuldenländer müssen schmerzhafte Entscheidungen treffen und ihre Hausaufgaben machen."
China setzt auf eine andere Karte, um Europa zu unterstützen - den Internationalen Währungsfonds. China erwäge, dem IWF mehr Geld zu überlassen, und prüfe die Möglichkeit, mit den EU-Stabilisierungsfonds zusammenzuarbeiten.
Im Streit über das iranische Atomprogramm setzte sich die Kanzlerin für Sanktionen ein. Aus deutscher Sicht arbeite der Iran nicht "transparent" genug mit der internationalen Gemeinschaft zusammen, sagte Merkel. China lehnt Sanktionen ab. Das Prinzip freier Handelsbeziehungen wolle China nicht aufgeben, erklärte Wen.
Während Merkel in ihrer Akademie-Rede das Thema Menschenrechte nur streifte, warb sie bei ihrem Treffen mit Wen für "mehr Meinungsfreiheit" und sprach von "oft sehr harten Reaktionen auf Kritiker". Sie meinte offenbar die Haftstrafen, zu denen Bürgerrechtler und Autoren in letzter Zeit verurteilt worden waren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod