Andrea Nahles ist jetzt wieder wichtig

Die angebliche Königsmörderin kehrt vier Wochen nach der Abdankung von König Münte I. ins SPD-Präsidium zurück

BERLIN taz ■ Da kennen Parteien nichts. Bei ihnen darf man heute ein Hoffnungsträger sein, morgen ein Verräter und übermorgen schon wieder einer von den Wichtigwichtig-Leuten. Karrieren in der SPD zum Beispiel werden schneller gemacht, beendet und reanimiert als bei „Deutschland sucht den Superstar“. Andrea Nahles kann davon – Achtung, Dieter Bohlen! – ein schönes Lied singen.

Die SPD-Linke ist am Montag ins Präsidium ihrer Partei wiedergewählt worden, und das nur vier Wochen nach der größten SPD-Krise der jüngeren Geschichte. Nahles hatte diese Krise nicht verursacht, aber ausgelöst. Sie war gegen den Willen des damaligen Parteichefs Franz Müntefering als neue Generalsekretärin angetreten, woraufhin König Münte I. abdankte. Nahles, bis dahin eine, wie man so schön sagt, Hoffnungsträgerin, traf die ganze Wut der Genossen. Sie wurde von Parteirechten als „Königsmörderin“ beschimpft. Der Grund für ihre Nominierung als neue Generalsekretärin – die Befürchtung, die SPD in der großen Koalition werde zur Befehlsempfängerin des Alleinherrschers Müntefering – geriet in Vergessenheit. Der Druck auf Nahles war so groß, dass sie sogar das Angebot des neuen SPD-Chefs Matthias Platzeck ausschlug, unter ihm Parteivize zu werden.

Der erste Teil ihrer Rehabilitierung vollzog sich bereits auf dem Parteitag in Karlsruhe Mitte November. Nahles wurde mit einem der besten Ergebnisse aller Bewerber in den Vorstand gewählt. Warum, wurde nicht so ganz klar. Eine offene Aussprache über die Ursachen der Krise wurde in Karlsruhe vermieden. Immerhin konnte Müntefering dabei beobachtet werden, wie er Nahles die Wange tätschelte. So etwas gilt in Parteien gemeinhin als Zeichen der Versöhnung.

Gestern dann Teil zwei der Rehabilitierung: Nahles wurde vom Vorstand mit 29 von 41 Stimmen – dem zweitbesten Ergebnis – ins Präsidium gewählt. Diesem engeren Führungszirkel gehören der SPD-Chef, seine fünf Stellvertreter, der Generalsekretär sowie die Schatzmeisterin automatisch an. Auf die restlichen fünf Plätze bewarben sich gestern acht Kandidaten. Außer Nahles wurden die Landesvorsitzenden Christoph Matschie (Thüringen) und Ludwig Stiegler (Bayern), der Europapolitiker Martin Schulz sowie Birgit Fischer, Vizechefin der nordrhein-westfälischen SPD, gewählt. Für einen Unterlegenen wie Heiko Maas, den saarländischen Landeschef, muss das nichts bedeuten. Erst einmal vier Wochen abwarten – da zerfallen in der SPD ganze Königreiche. JENS KÖNIG