„Religionsunterricht für alle ist eine Kostbarkeit“

Nach Unterzeichnung des Kirchenstaatsvertrags befürchtet Johannes Kolfhaus vom Verband der Religionslehrer eine Zersplitterung des Fachs

taz: Herr Kolfhaus, die Vereinigung der Hamburger Religionslehrer ist „alarmiert“, weil der gestern unterzeichnete Kirchenstaatsvertrag den Religionsunterricht gefährde. Wieso warnen Sie so spät? War das alles geheim?

Johannes Kolfhaus: Nein. Es wurde mit Diskretion behandelt, aber alle, die mit Religionspädagogik zu tun haben, wussten davon. Die katholische Kirche macht von ihrem Recht nach Grundgesetz, Artikel 7 (3) Gebrauch und fordert für sich, ganz plausibel, eigenen Religionsunterricht mit eigener Lehrerausbildung. Die Frage ist nur, was dies für die Hamburger Wirklichkeit bedeutet, die mit anderen Ländern nicht vergleichbar ist.

Wieso nicht?

Wir leben in einer Metropole, in der wir es mit weltanschaulicher Vielfalt zu tun haben. Hamburg verzeichnet 106 verschiedene Glaubensgemeinschaften. Deshalb hat sich hier ganz pragmatisch der „Religionsunterricht für alle“ bewährt – von der 3. Klasse bis zum Abitur. Ich selbst habe als Lehrer oft muslimische Schüler im Fach Religion zum Abitur geführt.

Dafür gab es aber keinen Staats-Kirchen-Vertrag. Dass es diesen konfessionsübergreifenden Unterricht gibt, wurde 1964 vom damaligen Bischof Wölber per Handschlag vereinbart. Für die Gestaltung gibt es seither eine „Gemischte Kommission Schule – Kirche“ in der zeitweilig auch Beobachter der katholischen Kirche saßen.

Wurde ihr Verband in die Planungen eingebunden?

Nein. Aber wir führen jährliche Gespräche mit Bischöfin Maria Jepsen, wo wir unsere Sorgen mitgeteilt haben, weil Religionsunterricht für alle eine Kostbarkeit ist. Bischöfin und Nordelbische Kirche sehen das genauso.

Was spricht denn gegen einen katholischen Religionsunterricht an den Schulen?

Am Studienseminar müssen die Lehrer dafür ausgebildet werden. Die werden an einigen ausgewählten Schulen per „Insellösung“ unterrichten. Das ist nicht schlimm. Aber dann werden zum Beispiel Aleviten, Sunniten und Orthodoxe Gleichbehandlung verlangen. So viele Angebote sind im Stundenplan nicht mehr organisierbar. Ein konfessionalisiertes Fach Religion wird zum Teil in Kirchen und Moscheen unterrichtet werden und als normales Fach neben Ethik und Philosophie kaum mehr erkennbar sein.

Wie bald rechnen Sie mit diesem Ende?

Nicht so bald. Der Vatikan, der die Sache eingefädelt hat, hat hier einen Vorratsbeschluss erwirkt. Auch im Erzbistum Hamburg sitzen vernünftige Leute, die sehen, dass dies nicht organisierbar und finanzierbar ist. Aber in zehn Jahren kann das ganz anders aussehen. In der Kirchengeschichte rechnet man nicht in Quartalen, sondern in Jahrhunderten.

Interview: Kaija Kutter