Davidstern-Schmierereien werden zum Selbstläufer

Seit sechs Wochen werden Davidsterne in der Stadt geschmiert. Die Polizei konnte die Täter bislang nicht ermitteln – trotz Videoaufzeichnung

In der Nacht von Montag zu Dienstag war Ruhe. Aber solche Pausen hat es seit dem 14. Oktober immer wieder gegeben. Der 14. Oktober war der Tag, an dem in Berlin zum ersten Mal Davidsterne in Serie an Grabstätten, Denkmälern und Fassaden geschmiert worden sind. Inzwischen haben die Ermittler 124 Sterne gezählt. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Bei den ersten zehn Taten sei man noch von einer rechtsextremistischen Motiv ausgegangen, sagt Polizeipräsident Dieter Glietsch. Denn in allen Fällen hätten die besprühten Objekte in Verbindung mit dem Judentum, Kommunismus oder Nationalsozialismus gestanden. Der sechszackige Davidstern ist das Symbol des Judentums und des Staates Israel.

Die Auswahl der Objekte ist inzwischen beliebiger geworden. Bauzäune, Pfeiler und Mauern – selbst an den Wänden von Kindertagesstätten und Schulen toben sich die Täter aus. An einem Samstag wurden allein an den Bauzäunen rund um die Museumsinsel 17 Davidsterne – diesmal in Neongrün – gezählt. Auch ein Nachbarhaus von Bundeskanzlerin Angela Merkel war betroffen. Der Bezirk Mitte ist der Schwerpunkt. Bei den ersten Taten war stets weiße Farbe verwendet worden. Inzwischen ist es fast die gesamte Farbpalette. „Sogar Lila ist dabei“, sagt Glietsch.

Die Polizei geht längst davon aus, dass es sich um Nachahmertaten von unterschiedlichen Tätern handelt. Ob mit oder ohne politischen Bezug, ist unklar. Eine aus vier Beamten bestehende eigene Ermittlungsgruppe beim Staatsschutz ist mit dem Fall betraut worden. Diese werten auch alle Spuren am Tatort aus, fotografieren und katalogisieren diese. Konkrete Tatverdächtige sind noch nicht ermittelt worden. In einem Fall gebe es eine Videoaufzeichnung, die aber „so schlecht“ sei, dass sich daraus kein Fahndungsfoto machen ließ, sagt Glietsch. Auch wenn keine politische Motivation dahinter stehe, lege er Wert darauf, dass die Ermittlungen mit Nachdruck geführt werden.„Das Ganze ist eine beschämende Aktion, die den völlig falschen Eindruck erwecken kann, dass Berlin von Rechtsextremisten überschwemmt ist.“

Das große Problem für die Polizei und die Öffentlichkeit ist, dass die Taten längst zum Selbstläufer geworden sind. Je größer und breiter die Presse berichtet, umso mehr Taten hat es gegeben, ist die Erfahrung der Ermittler. „Wir melden den Medien ganz bewusst alles, was sie interessiert“, sagt Glietsch. Er halte auch nichts von Zensur. „Im Fall der Davidsterne wäre es aber besser, nicht in dem Ausmaß zu berichten, wie es geschehen ist.“

PLUTONIA PLARRE