Der rechte Dresscode im Zentrum der Stadt

Im „Berlin-Carré“ am Alex hat ein Laden der Firma Mediatex eröffnet: Er verkauft Thor-Steinar-Klamotten, die vor allem bei Neonazis beliebt sind

Auf den ersten Blick könnte man meinen: Da fährt jemand ja voll auf den Norwegentrip ab. Wohin man schaut in dem Kleidungsgeschäft: Überall sieht man Klamotten mit der Flagge Norwegens drauf. Erst bei genauerem Hinsehen wird klar, dass es sich keineswegs um die flauschigen, traditionellen Wollpullis handelt, sondern um die neue Kollektion der vor allem von Neonazis getragenen Modemarke Thor Steinar.

Seit dem 17. September residiert im „Berlin Carré“ in der Karl-Liebknecht-Straße nahe dem Alexanderplatz ein Ableger der Firma Mediatex, günstig platziert direkt im boomenden Teil von Mitte. Und anders als andere Neonazi-Geschäfte, die sich meist in abgelegenen Nebenstraßen von Ostberliner Armutskiezen befinden, wirkt der Laden mit dem Namen „Tönsberg“ auch auf die vielen hier flanierenden Touristen nicht abschreckend.

Auch die Mitarbeiter der umliegenden Geschäfte haben sich an die Nachbarn scheinbar gewöhnt: „Ist doch ein schicker Laden“, sagt die Angestellte einer Bäckerei. Der Laden sei noch nicht negativ aufgefallen, berichtet der Zeitschriftenhändler gegenüber. Auch eine Zunahme von Skinheads oder anderen erkennbaren Neonazis habe er bisher nicht wahrgenommen. Dabei ist es gerade zwei Wochen her, dass mehrere Dutzend Einsatzkräfte der Polizei das „Berlin Carré“ abriegeln mussten: Antifas hatten dazu aufgerufen, gegen den Laden zu protestieren.

Im Rahmen einer Kampagne gegen Neonazi-Läden in Berlin und Brandenburg versuchen linke Gruppen seit Monaten auf die Gefahr von neuen Modetrends in der rechten Szene aufmerksam zu machen (www.we-will-rock-you.tk). Immer häufiger werde der Kleidungsstil vor allem bei Jugendlichen zum Einfallstor der rechten Szene, begründen die InitiatorInnen ihre Kampagne. Thor Steinar bilde dabei die Speerspitze.

Völkische Street-Wear

Die Marke Thor Steinar gibt es seit 2003. Sie verbindet moderne Street-Wear mit völkischer Gesinnung. Über die beiden Geschäftsführer der Firma Mediatex ist dabei nicht viel bekannt: Während Uwe Meusel, der auch der Geschäftsbetreiber des neuen Ladens nahe dem Alexanderplatz ist, bisher nicht auffiel, soll Mediatex-Gründer Axel Kopelke in der rechten Szene kein Unbekannter sein: Brandenburger Antifas berichten, dass Kopelke bei völkischen Sonnenwendfeiern gesehen wurde. Sein ehemaliger Laden „Explosiv“ in Königs Wusterhausen sei lange Zeit Anlaufpunkt der regionalen rechten Szene gewesen. Geschäftsführer Meusel behauptet, dass der Firma keine Neonazis angehören. Ein Mitarbeiter des Brandenburger Verfassungsschutzes bestätigte jedoch bereits vor einem Jahr seine zuvor gegenüber einem Autor der taz getätigte Äußerung: „Dem engeren und weiteren Umfeld der Firma gehörten Rechtsextremisten an.“

Strafrechtlich können die Sicherheitsbehörden nicht gegen die Firma vorgehen – nur gegen das Logo. Die erste Version bestand aus einer Kombination von zwei Runen, die zur NS-Zeit weit verbreitet waren: der Tyr-Rune (Todesrune) und der Gibor-Rune (Wolfsangel). Beides sind völkisch besetzte Symbole, mit denen sich insbesondere die SS gerne schmückte. Kein Zufall also, dass das Logo auch sehr dem Symbol des rechtsextremen „Thule Seminar“ ähnelt, einer intellektuellen Ideenschmiede der Neuen Rechten in Kassel. Auch die einstige neonazistische Kameradschaft Treptow benutze die beiden Runen.

Vor einem Jahr wurde das Tragen des Thor-Steinar-Logos verboten. Hunderte Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet. Doch im vergangenen September stufte das Oberlandesgericht Brandenburg entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft Potsdam das Tragen des Logos als nicht verfassungswidrig ein. In Brandenburg ist das alte Logo seitdem wieder erlaubt.

In Berlin bleibt es hingegen verboten, bestätigt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Michael Grunwald. Im Laden am Alexanderplatz werden daher momentan nur Kleidungsstücke mit einem neuen Logo verkauft.

Es sei aber bloß eine Frage der Zeit, bis das Verbot des alten Logos auch in Berlin aufgehoben wird, sagt Falco Schuhmann vom Antifaschistischen Pressearchiv (Apabiz), der sich intensiv mit Symbolen und Marken in der rechten Szene beschäftigt. Er hält von den Verbotsverfügungen ohnehin nicht viel: „Die Nazis weichen einfach auf was anderes aus. Das Problembewusstsein jedoch schwindet.“ FELIX LEE