Radsport Frühjahrsklassiker: Steherrennen an der Riviera

Der Australier Simon Gerrans bezwingt beim Frühjahrsklassiker Mailand-Sanremo sein Führungsmotorrad, Fabian Cancellara aus der Schweiz.

Menschliches Motorrad: Simon Gerrans (Mitte) ließ sich von Fabian Cancellara zum Ziel ziehen und gewann dann selbst. Bild: reuters

SANREMO taz | Simon Gerrans fühlte sich an sein altes Metier erinnert. Bis zum Alter von 16 Jahren betrieb der Australier Motorradrennen. Als er nach einem Sturz in der Rehabilitation den Radsport entdeckte, stellte er vom Benzinmotor auf Humanmotor um.

Bei seinem bisher größten Karriereerfolg kamen ihm seine sportlichen Anfänge aber wieder ins Bewusstsein. „Cancellara fuhr im Finale wie ein Motorrad. Man konnte nur zusehen, dass man an ihm dranblieb“, beschrieb der Fahrer des neuen australischen Teams Greenedge die letzten drei von insgesamt 298 Kilometern des Frühjahrklassikers. Als das Zielband blinkte, schoss er aus dem Windschatten seines Motorrads heraus und passierte als Erster die Ziellinie.

Vorwürfe, sich so den Sieg erschlichen zu haben, wehrte er energisch ab. „Selbst wenn ich gewollt hätte, wäre es mir kaum gelungen, unterwegs Führungsarbeit zu übernehmen. Ich habe es einmal versucht, aber gleich darauf war er wieder vor mir“, meinte er und stellte seine taktischen Qualitäten in den Vordergrund. „Ich bin nicht allzu oft ganz vorne dabei. Doch wenn ich die Chance auf einen Sieg habe, dann nutze ich sie meist“, sagte er und führte Etappensiege bei allen drei großen Rundfahrten als Beleg an.

Gerrans bekam Beistand von einem der Großen des Metiers. „Was sollte er machen? An Cancellara ist weder auf der Abfahrt noch auf Flachstücken mit Gegenwind vorbeizukommen. Er hat dann seine Chance genutzt“, sagte Eric Zabel, dessen neuer Schützling bei Katjuscha und Ex-Rivale Oscar Freire mit einem siebten Platz zufrieden sein musste.

Favorit Sagan gewinnt Sprint des Hauptfeldes

„Für einen dreimaligen Sieger ist ein siebter Platz natürlich nicht viel. Aber nach dem Rennverlauf war er nicht sauer. Und meinen Rat hat er auch beherzigt und nicht zu früh auf der Zielgeraden die Arme hochgerissen“, scherzte Zabel und spielte auf die Entscheidung 2004 an. Da hatte Freire dem zu früh jubelnden Zabel noch den Sieg abgeluchst.

Dieses Mal war Gerrans der schlaue Fuchs. Von Cancellaras Führungsarbeit profitierte er noch von dem Antritt Vincenzo Nibalis. Der Italiener hatte sich am Poggio, der letzten Erhebung vor dem Ziel, abgesetzt. Nur der aufmerksame Gerrans und etwas später Cancellara vermochten zu folgen.

Den Sprint des Hauptfeldes gewann der eigentliche Favorit Peter Sagan. Der Slowake hatte einen Moment zu lange gezögert, als Cancellara sich aus dem Hauptfeld löste und Nibali und Gerrans hinterherhetzten. Ihm dürfte noch der Ärger nach seinem Etappensieg beim Tirreno Adriatico im Kopf herumgespukt haben. Da hatte er, einen Antritt des Tschechen Roman Kreuzigers abwehren wollend, diesen an seinen enteilten Mannschaftskapitan Nibali herangeführt.

Er hatte zwar selbst die Etappe gewonnen, musste sich aber mit Egoismus-Vorwürfen auseinandersetzen. Jetzt hatte er es in den Augen der Mannschaftsleitung von Liquigas wieder falsch gemacht und nicht einmal den Sieg gerettet. „Er ist jung. Er muss einiges lernen“, sagte der Sportliche Leiter Zanatta.

Fünfter Platz im ersten Versuch

Hinter Sagan setzte sich der Geraer John Degenkolb hervorragend in Szene. Er wurde beim Sprint des dezimierten Feldes direkt hinter dem Slowaken Fünfter. „Es gibt nicht viele, die bei ihrer Sanremo-Premiere auf dem 5. Platz einkamen. Ich bin absolut zufrieden mit mir, bei diesem Monument des Radsports so gut mitgehalten zu haben. Ich kann ja nicht davon ausgehen, gleich die ganze Weltelite zu schlagen“, sagte der Profi des neuen Rennstalls Project 1t4i zur taz.

Die eigentliche deutsche Classicissima-Hoffnung André Greipel zog sich hingegen frustriert in seinen Bus zurück. Er wurde durch einen Sturz an der Cipressa ausgebremst und konnte nicht mehr zur Führungsgruppe aufschließen. „Das ist Radsport“, winkte der Lotto-Profi ab.

Ärger noch erwischte es seinen Dauerrivalen Mark Cavendish. Der Brite musste bereits beim ersten ernsthaften Hügel 100 Kilometer vorm Ziel abreißen lassen. „Das war einfach nicht sein Tag“, hieß es von seinem Team.

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