ARD-Doku über politische Machtkämpfe: Wenn die Ostsee lockt
Ein Film erkundet, wie schmutzig die Kämpfe in Parteien ausgetragen werden. Dabei gibt es erstaunliche Momente der Offenheit.
So nichtssagend plakativ und blöd wie der Filmtitel – „Schlachtfeld Politik“ – ist auch der Titelzusatz: „Die finstere Seite der Macht“. Warum man meint, ein gutes Thema so reißerisch verklausuliert verkaufen zu müssen, wissen allein Stephan Lamby und vielleicht der eine oder andere Redakteur bei der ARD.
Lamby ist natürlich ein Routinier. In schöner Regelmäßigkeit beliefert der Geschäftsführer der ECO Media die ARD mit seinen Dokumentationen. Wenn er sich jetzt also auf das „Schlachtfeld Politik“ begibt, geht es ihm um politische Machtkämpfe der innerparteilichen Art. Die These, der Lamby nachgeht, besagt, dass Scharmützel innerhalb der politischen Parteien auf besonders schmutzige Weise ausgetragen werden und für die Beteiligten schmerzhafter sind als die Kämpfe zwischen den Parteien.
Lambys Kapital sind seine Kontakte. Er hat es immer wieder verstanden, ganz nah an die Großen der deutschen Politik heranzukommen. Für seinen neuen Film nun wollte er offenbar aus jedem der politischen Lager einen schwergewichtigen Repräsentanten gewinnen, der bereit ist, mal ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern. Das ist Lamby mehr oder weniger gut gelungen. Für Die Linke sprach Lamby nicht etwa mit Gysi oder Lafontaine. Erinnert sich noch wer an Katina Schubert, die vor ein paar Jahren stellvertretende Parteivorsitzende war? (Bis sie Oskar Lafontaines Gattin Christa Müller in die Parade fuhr.) Da sind Lambys weitere Interviewpartner – Wolfgang Kubicki für die FDP, Erwin Huber für die Union, Andrea Fischer für die Grünen – gewiss ein anderes Kaliber.
Der Dickfisch aber heißt Kurt Beck, SPD. Der war einmal Parteivorsitzender und die genauen Umstände, die zu seiner Demission am 7. September 2008 geführt haben, sind bis heute nie so richtig publik geworden. Wer genau hat da die Strippen gezogen? Es ist durchaus spannend anzusehen, wie Lamby vergeblich versucht, etwas dazu aus Beck herauszukitzeln. Beck: „Ich weiß, wer es war, und weiß, wie es abgelaufen ist.“
Lamby: „Sie wollen mir aber keine Namen nennen.“
Beck: „Nein.“
Lamby: „Haben Sie mit den Betreffenden mal persönlich darüber gesprochen?“
Beck: „Mit einem der Betreffenden, es waren mehrere: ja.“
Lamby: „Waren das Mitglieder, Parteifreunde aus der ersten oder aus weiteren, späteren Reihen – zweite, dritte Reihe?“
Beck: „Mit der zweiten, dritten Reihe – bitte ich um Verständnis, keine Arroganz – habe ich natürlich nicht über so etwas geredet.“
Lamby: „Das heißt, es waren Parteifreunde aus der ersten Reihe?“
Beck: „Das heißt das, was ich gesagt habe.“
Sobald das Nennen, das Aussprechen von Namen gefragt ist, geben sich die Interviewten diskret. Wenn es aber darum geht, wie sie persönlich damit umgegangen sind, von den eigenen Leuten fallen gelassen worden zu sein, gibt es erstaunliche Momente der Offenheit. Andrea Fischer erzählt von ihrer Depression, Wolfgang Kubicki davon, dass er „in die Ostsee gehen“ wollte: „Den Gedanken habe ich nach zehn Minuten wieder verworfen – aber der war da!“
„Schlachtfeld Politik – Die finstere Seite der Macht", Montag, 19.3., 22:45 Uhr ARD
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!