In Sachen Kitsch

„In Liebe eine Eins“ (20.15 Uhr, ARD) versiebt ein ernstes Thema: Wer hilft Kindern von geistig Zurückgebliebenen?

Mag sein, dass Leni Bluhm nicht die Hellste ist. Aber sie hat unbestritten ein Herz aus Gold. Das schlägt für ihren Sohn, für Grünpflanzen und geblümte Blusen. In deren adrettesten Exemplaren stapft die geistig zurückgebliebene Gärtnereigehilfin Leni (Anna Loos) heute Abend durchs Thüringische und kämpft gegen ihre hartherzigen Mitmenschen, die der Alleinerziehenden ihren sechsjährigen Sohn Dominik (Leo Natalis) wegnehmen wollen. Weil ihr, der Analphabetin, das Jugendamt nicht zutraut, ein Kind „richtig“ zu erziehen.

Dass eine Frau mit niedrigem IQ eine so gute oder schlechte Mutter wie jede andere sein kann, ist im Grunde eine Binsenweisheit. Dass sie aber – dank ihrer intellektuellen und emotionalen Unverfälschtheit – ein besserer Mensch sein soll, ist doch eine sehr gewagte These. Genau das aber behauptet „In Liebe eine Eins“. Leni Bluhm, gut dargestellt von Anna Loos, folgt stets dem Ruf ihres Herzens. Sie spricht mit Pflanzen, strubbelt durch Kinderhaar, ist fassungslos ob der Rohheit ihrer Umwelt. Ebenso überzeichnet sind ihre Gegenspieler: die hartherzige Frau vom Jugendamt, die aus schierer Rechthaberei der scheinbar unfähigen Mutter das Kind wegnehmen will; ebenso Dominiks Lehrerin, die keine Kinder bekommen kann und so dank einer gewagten Drehbuchvolte ebendiesen Sechsjährigen in Pflege nehmen kann.

Wenig originell, sieht das Drehbuch von Annette Hess für Leni und die weiteren Rollen nahezu ausschließlich sprechende Namen vor: die Lehrerin heißt also Frau Steiner, der zynische Anwalt Zörnig und Lenis sanfter, aber bindungsgestörter Liebhaber Hagen Frey.

In dieser MDR-Produktion wird zur Schmonzette verbrämt, was es wirklich gibt. Gerade lief beim 3sat-Zuschauerpreis die Wiederholung von „In Sachen Kaminski“. Der Film erzählt die Geschichte zweier geistig zurückgebliebener Eltern, denen – wie der Elfe Bluhm – ihr Kind von einer unheiligen Allianz aus Sozialpädagogen und Gerichten weggenommen wird. Die Kaminskis nehmen sich einen Anwalt, sie gehen bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Ein Drehbuch, das das Leben geschrieben hat. Die Kaminiskis haben 2002 ihren Prozess gewonnen – und sich auf dem steinigen Weg dahin als Familie fast verloren. So hart war dieser Kampf ums Kind.

„In Liebe eine Eins“ lässt derlei Kummer bestenfalls erahnen. Wo Regisseur Hartmut Griesmayr waltet, wird jeder Fall gelöst. Das mag daran liegen, dass Griesmayr vor allem als populärer „Tatort“-Regisseur im Einsatz ist. Aber der Geschichte der Leni Bluhm, die dank ihres reinen Herzens sogar in Anwalt Zörnig einen Kinderwunsch reifen lässt, raubt das die letzte Glaubwürdigkeit. ANJA MAIER