BETTINA GAUS über FERNSEHEN
: Es ist einfach so. So einfach ist das

In der Zukunft werden Historiker den Wert der RTL-Programmplanung erkennen: eine wahre Goldgrube

Mein Mann betrügt mich – was soll ich machen? Antwort A: Kochen Sie ihm etwas Gutes und seien Sie ganz besonders lieb zu ihm. Antwort B: Schmeißen Sie ihn raus! Antwort C: Führen Sie mit ihm und seiner Freundin ein Gespräch und erklären Sie den beiden, wie verletzt Sie sind.

Welche Reaktion halten Sie für richtig? Das dürfte (auch) davon abhängen, wie alt Sie sind. Vielleicht sagen Sie jetzt, es käme doch wohl vor allem auf den Zustand Ihrer Ehe an, und schließlich wäre ja noch Antwort D vorstellbar: das gemeinsame Konto leer räumen und abhauen. Dann haben Sie möglicherweise ein schönes Leben vor sich. Aber gewiss nicht begriffen, worum es bei den so genannten psychologischen Tests in Massenmedien geht.

Diese Tests sind in erster Linie dazu gedacht, Aufschluss über die jeweiligen Normen einer Gesellschaft zu liefern – und den Teilnehmern zu signalisieren, ob und wie weit sie sich mit ihren eigenen Einstellungen davon entfernt haben. Es steigert offenbar das Selbstwertgefühl, wenn man sich mit der Mehrheit im Einklang weiß. So etwas fördert feste Urteile.

„Wie gut ist Deutschland in Sachen Erziehung?“, fragte RTL-Moderator Leonard Diepenbrock vor einigen Wochen im „Super-Nanny-Test“. Man kann diese Frage für erfreulich halten. Beweist sie doch, dass es zumindest nicht mehr für selbstverständlich gehalten wird, dass unser Land dem Rest der Welt in dieser Hinsicht klar überlegen ist. Das war ja schon mal anders.

Vielleicht wird es auch bald wieder anders. Schließlich ist Erziehung ganz leicht, wenn die Erwachsenen nur schön brav sind. Eine 14-Jährige will bis Mitternacht in der Disco bleiben, weil ihre Freundinnen das angeblich auch dürfen. Was sollen die Eltern tun? Natürlich verbieten. „Fast alle“ Quizteilnehmer im Studio haben die Frage richtig beantwortet, freut sich der Moderator. Ein Wunder ist das nicht: Schließlich gibt es das Jugendschutzgesetz.

Wenn etwas gesetzlich festgelegt ist, dann erübrigt sich jede Überlegung, ob dieses Gesetz eigentlich sinnvoll ist. Früher nannte man das Kadavergehorsam. Heute nennt man das nicht mehr so, aber man muss sich offenbar immer noch – oder wieder – keinen Kopf darüber machen, wie man auf den Wunsch eines 11-Jährigen reagiert, ein Computerspiel für Ältere zu spielen. Es genügt, ihm das zu verbieten. „Es ist einfach so: das Spiel ist erst ab 16.“ Es ist einfach so – so einfach ist das.

„Da gibt es für mich keine Kompromisse“, sagt „Nanny“ Katharina Saalfrank. Trotz mädchenhaft langer Haare und stets etwas beleidigtem Lächeln wirkt sie so, wie ich mir immer eine Domina vorgestellt habe. Das hat sie mit der Moderatorin Sonja Zietlow gemeinsam, die allerdings kurze Haare hat. Was für ihre neue Sendung gewiss auch praktischer ist: Vom 8. Januar an kommt sie an vier Sonntagen in Kampfstiefeln und Tarnanzug abends in deutsche Wohnzimmer, um in der Reportagereihe „Sonja wird eingezogen“ die Bundeswehr so zu zeigen, „wie man sie“ – laut RTL – „noch nie sah“. Soldaten gelten also wieder als gute Unterhaltung. Pardon: Soldatinnen.

Kaum etwas liefert so zuverlässigen Aufschluss über das geistige Klima im Land wie die Programmplanung von RTL. Man kann dem Kölner Privatsender viel vorwerfen, aber etwas nicht: ideologische Kampfeslust um irgendeiner Sache willen. Gesendet wird, was Quote bringt – und nur das. Historiker werden in Fernsehzeitschriften später einmal eine Goldgrube sehen.

Teile der Union wünschen erneut eine Debatte über die Leitkultur? Sie können sich die Mühe sparen. Sie haben doch schon gewonnen. Gerade ist der Staatsrechtler Udo di Fabio von Lesern der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und einer Jury zum „Reformer des Jahres“ gewählt worden. Der Mann ritt für ein neues bürgerliches Zeitalter ein. Und schwört auf Werte: Vaterland, Arbeit, Familie und Gottesfurcht. Wenn Sie im Trend liegen wollen, dann sollten Sie Antwort A ankreuzen, Ihrem betrügerischen Mann etwas Gutes kochen und ganz besonders lieb zu ihm sein. Retro ist in. Willkommen in den 50er-Jahren.

Fragen zur Erziehung? kolumne@taz.de MORGEN: Robin Alexander über SCHICKSAL