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Missbrauchsfall an Grundschule"Ein Gefühl der Sicherheit geben"

Der Schulpsychologe Klaus Seifried warnt vor Panik. Entscheidend sei es, Ruhe zu bewahren - und den Opfern schnell therapeutische Hilfe zu geben.

An dieser Grundschule wurde die Achtjährige schwer sexuell missbraucht. Bild: dpa
Jasmin Kalarickal
Interview von Jasmin Kalarickal

taz: Herr Seifried, was ist im Umgang mit Missbrauchsfällen an Schulen wichtig?

Klaus Seifried: Die Ruhe zu bewahren. Durch das Bekanntwerden gravierender Fälle und die Berichterstattung in den Medien werden Ängste bei Eltern und Kindern geschürt.

Brauchen die Schulen mehr Sicherheit?

Auch Videokameras, Eingangskontrollen oder Schließanlagen können keine hundertprozentige Sicherheit geben. Sexualstraftäter finden Wege, um in Kontakt mit Kindern zu kommen – auf Spielplätzen, auf dem Schulweg oder in der Familie selbst. Berliner Schulen sollen ein offener Ort des Lernens bleiben und keine Festungen werden.

Was würden Sie Eltern raten?

Ebenso wie Lehrer sollten sie den Kindern sagen, dass die Schule ein sicherer Ort ist und die Erwachsenen sie beschützen. Wenn sie etwas Verdächtiges beobachten, sollten sie sofort Erwachsene ansprechen und um Hilfe bitten.

Verdächtiger festgenommen

Die Polizei hat im Fall des an einer Grundschule missbrauchten Mädchens einen Verdächtigen ermittelt. Der 30-Jährige wurde am Freitag von einem Spezialeinsatzkommando im Wedding festgenommen. Er sei der Polizei bereits bekannt gewesen, sagte ein Polizeisprecher, jedoch nicht aufgrund von Missbrauchsfällen. Eine Funkzellenauswertung am Tatort habe letztlich auf die Spur des Mannes geführt.

Die achtjährige Schülerin war am 1. März auf einer Toilette an der Weddinger Humboldthain-Grundschule schwer missbraucht worden. Die Polizei hatte den Fall jedoch erst in dieser Woche bekannt gemacht. Daraufhin habe es zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung gegeben, so die Polizei. Die Festnahme sei jedoch unabhängig davon erfolgt. Noch am Freitag sollte der 30-Jährige dem Haftrichter vorgeführt werden. (taz)

Wie können Eltern ihren Kindern im Umgang mit ihrer Angst helfen?

In erster Linie sollten sie den Kindern ein Gefühl der Sicherheit geben. Gleichzeitig können Sie die Kinder altersgerecht auf Gefahren vorbereiten. Das betrifft das Verhalten im Straßenverkehr genauso wie die Gefahr, die von Sexualstraftätern ausgeht. Es ist wichtig, Kindern zu sagen, wie sie sich verhalten sollen, wenn ein fremder Mann sie anspricht oder belästigt. Sie sollten misstrauisch sein, auch wenn der Mann nett ist und ihnen etwas schenken will.

Was können die Schulen in dieser Hinsicht tun?

Auch Lehrerinnen und Lehrer sollten Kinder auf Gefahrensituationen vorbereiten. Das gilt für die Verkehrserziehung ebenso wie für den Umgang mit Mobbing, Gewalt oder sexueller Belästigung. An allen Berliner Schulen gibt es Notfallpläne. Hier steht, was in solchen Gefahrensituationen zu tun ist.

Und wie kann das Umfeld bei der Verarbeitung eines Missbrauchs behilflich sein?

Die Verarbeitung ist bei Kindern sehr unterschiedlich. Manche leiden ihr Leben lang daran. Besonders wichtig ist es, dass die Opfer und ihre Familien schnell therapeutische Hilfe bekommen. Aber auch das Umfeld, die Mitschüler und Lehrer sind häufig stark belastet und brauchen schulpsychologische Unterstützung. Es geht darum, dem Opfer, seiner Familie und der Schule Stabilität zu geben und sie in einen Alltag zurückzuführen.

INTERVIEW

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2 Kommentare

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  • G
    Gerda

    "Ein Leben lang leiden" (manche).

    Stimmt! Meine Tochter wurde im Alter von 13 Jahren auf der Straße angesprochen, mit einer Pistole bedroht, vergewaltigt und beinahe mit einer Klamotte erschlagen. Heute ist sie 37 Jahre alt, hat seit ein paar Jahren eine Sozialphobie bekommen und ist seit einem Jahr Alkoholikerin, weil sie mit ihren "Baustellen" nicht fertig wird. Sie wollte möglichst "normal" leben, was ihr leider mit dem Älterwerden nicht gelungen ist. Jetzt hat sie riesengroße Angst um ihre eigene, noch kleine Tochter, das ihr einmal das Gleiche passiert.

     

    Wie wird heute mit welchen therapeutischen Methoden traumatisierten Frauen geholfen? Und vor allem solch einem jungen Schulmädchen? Es kann passieren, daß auch dieses Mädchen als junge Frau zur Alkoholikerin wird, weil sie nicht die nötige therapeutische Hilfe erhalten hat und weil sie sich geweigert hat, über das Erlebnis zu sprechen.

     

    Wie ich erst heute erfahren habe, gibt es nicht mehr allein "Wildwasser" in Berlin, sondern eine weitere Hilfeorganisation namens "Lara" in Berlin.

  • W
    Wenstruba

    Wieso wird hier ein Mann zu befragt? Wäre es nicht besser gewesen eine Schulpsychologin zu befragen oder gar die im Wedding ansässigen Wildwasser-Frauen?

     

    Kinder sollen nicht alleine auf die Toilette gehen, dass ist wohl das Beste, was es zu empfehlen gibt. Daran spart hier der Artikel völlig.